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Wiener Blut — gut aufgefrischt

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Man kann von zwei Volltreffern reden, die der Volksoper mit der Strauß-Operette „Wiener Blut“ geglückt sind. Zunächst die Bearbeitung. Operetten müssen bearbeitet werden, denn die Dialoge setzen Schimmelpilz an, vielleicht desto schneller, je treffender, je zeitgebundener sie waren. Diese Bearbeitung ist der erste Volltreffer. Sie aktualisiert ohne billige Mätzchen, modernisiert ohne Slogans, hat Geschmack und Noblesse, ohne aus dem Stil der eleganten Blödelei zu fallen. Für diese Neufassung zeichnen Anton Paulik, Otto Schenk und Peter Weiser, der im Programmheft eine Rechtfertigung seiner Arbeit gibt. Der zweite Volltreffer ist die Inszenierung von Otto Schenk, die im Verein mit den Bühnenbildern von Walter Hoesslin eine Situation schafft, die sowohl die Strauß-Atmosphäre aus der Musik nachzeichnet als auch für natürliche Bewegung auf der Bühne sorgt und die starre Gruppierung (besonders im zweiten Akt) gewandt vermeidet. Der Durchblick in mehrere Säle mit dem pausenlosen Begegnen der Festgäste in stetem Wechsel ist ebenso meisterhaft gestaltet wie das dritte Bild (der Hietzinger Heurige), das durch seine stimmungsvolle Echtheit Sonderapplaus errang. Aber die Volltreffer waren nur möglich durch eine Idealbesetzung. Reiß-Schleiz-Greiz wurde nach Preußen verschoben, und so waren Fred Liewehr (Fürst Ypshekn) und Peter Minich elegante Preußen, letzterer fast ein wenig zu wienerisch charmant. Gerda Scheyrer (Gabriele) war ebenso die große Dame wie die kleine Helga Papuschek (Pepi) das richtige „harbe“ Wiener Mädel. Mit Erich. Kuchar (Kammerdiener Josef) zusammen stellte sich ein Soubrette-Komikerpaar vor wie aus der guten alten Operettenzeit. Das süße Mädel der Melitta Muszely (Tänzerin Cagliari) war zwar sehr hübsch, aber doch ein wenig blaß. Als ihr Vater, der Ringelspielbesitzer Kagler, spielte Paul Hörbiper eine seiner beliebten Rollen. Sein Wienerlied „I kenn ka Traurigsein“, sekundiert von der kleinen Probiermamsell Pepi, mußte zweimal wiederholt werden. Hier ging die Rührung tief. Auch alle anderen hatten ihre Wirkung. Die Kostüme (Ronny Reiter) waren wie die Bühnenbilder aus der Musik geboren und ebenso einfallsreich wie geschmackvoll. Der Meister am Pult, Anton Paulik, hatte Sänger und Orchester spielend in der Hand, und Johann Strauß war in den Klängen voller Charme und Leben.

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