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Schon 1942 ließen die Nazis einen Propagandafilm über Theresienstadt drehen Teile dieses Filmdokuments sind demnächst in Wien zu sehen.

Ernste Gesichter jüdischer Gettoinsassen bei einem Konzert in Großaufnahme. Sie wissen nicht, dass sie in wenigen Tagen tot sein werden. Vergast in Auschwitz. Szenen aus dem NS-Propagandafilm "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt", eine Dokumentation über das Leben im KZ Theresienstadt, die 1944 auf Befehl der Nazis gedreht wurde. Ziel des Filmes war, der Öffentlichkeit zu demonstrieren, wie "gut" es den Juden in ihrem "Siedlungsgebiet" geht. Die erhaltenen Sequenzen sind ein erschütterndes Beispiel, wie die tödliche Lagerrealität mit Überfüllung, Hunger, Seuchen und den Transporten nach Auschwitz verfälscht dargestellt wurde als Idyll mit scheinbar zufriedenen Insassen, die arbeiten, Konzerte hören und Fußball spielen.

8 Minuten aus 1942

Was jedoch selbst Experten kaum wissen: Bereits 1942 wurde ein erster Film in Theresienstadt gedreht, auf Befehl aus Berlin. Dieser ist bis heute verschwunden. Jedoch sensationell: 1994 wurden im Filmarchiv Warschau acht Minuten Film entdeckt, die die damaligen Dreharbeiten zeigen. Der holländische Zeithistoriker Karel Margry hat das Material ausgewertet und seine Geschichte recherchiert. Tagebucheintrag von Joseph Goebbels 27. April 1942: Er habe angeordnet, zu Bildungszwecken Filmdokumentationen vom Transport deutscher Juden in die Gettos im Osten anzufertigen. September 1942 erhielten mehrere Theresienstädter Häftlinge den Auftrag, Drehbücher zu erstellen. Eines der Treatments ist erhalten geblieben. Es erzählt die Geschichte des Lagers ab Herbst 1941: wie die einheimische Bevölkerung abgesiedelt, die Stadt in ein Getto umgewandelt wurde, die ersten Transporte einlangten, bis zum Spätsommer 1942, als Unzählige durch Hunger, Krankheit und Erschöpfung starben.

Dieses Skript, das das Gettoleben in ungeschminkter Realität darstellte, wurde nicht verfilmt. SS-Obersturmführer Otto wählte stattdessen das Drehbuch der Prager Filmemacherin Irena Dodalova. Es erzählt die Geschichte einer jüdischen Familie, die sich in Prag auf den Transport vorbereitet, ihre Deportation, Ankunft und Einquartierung sowie ihren Arbeits-alltag. Für den Dreh kam eine deutsche Filmcrew des Sicherheitsdienstes mit Kameras ins Lager. Jüdische Häftlinge agierten als Helfer. Die Zeitzeugin Grete Wurm erinnerte sich, wie das Team in der Kinderbaracke eine Unterrichtsstunde, Essensausgabe und Freizeitbeschäftigung filmte.

Wie später im zweiten Film wurde manipuliert: Gulaschportionen anstatt der üblichen Wassersuppe. Mädchen wurden gezwungen, nackt in ein Schwimmbad zu springen. Eine inszenierte Hochzeit, eine - unnötige - Blinddarmoperation und sogar eine Geburt wurden gefilmt. Mehrere Mitwirkende wurden anschließend in Auschwitz vergast.

Nach Abschluss der Dreharbeiten November 1942 schnitt Irena Dodalova das Material und lieferte den fertigen Film ab, der unveröffentlicht in einem Archiv verschwand. Er war offenbar zur Pro- paganda nicht geeignet. Seine Herstellung geriet in Vergessenheit.

Vor der "Verschönerung"

Erst 1994 fanden sich im Filmarchiv Warschau drei Rollen Film, deren Herkunft nicht zu eruieren war. Fünf der neun Sequenzen zeigen die Filmcrew beim Drehen: das Stadtschild, den Bahnhof Bohusovice, den Stadtpark sowie Konstruktionsarbeiten. Historisch einmalig: auf einer Einstellung ist das Krematorium zu sehen. Vier Sequenzen zeigen Szenen aus dem Film: das Kaffeehaus, ein Kabarettstück, ein Puppentheater und das Eingangstor mit tschechischem Gendarm. Karel Margry vermutet, dass das Material von einem Mitglied der SD-Crew mit einer Handkamera gedreht wurde. Die Aufnahmen sind eine einzigartige historische Quelle: die ersten aus Theresienstadt, die das Lager vor seiner "Verschönerung" 1944 zeigen.

VERANSTALTUNGSTIPP:

Die beiden Theresienstadtfilme werden auch Thema des Kongresses "CINEMATOGRAPHIE DES HOLOCAUST - Wien - Budapest - Prag" sein, der vom Filmarchiv Austria veranstaltet wird.

Ort: Metro Kino, 1010 Wien, Johannesgasse 4

Termin: 22. bis 24. Jänner. An den Abenden: "Hommage für Artur Brauner - Filme über den Holocaust".

Information & Programm: Filmarchiv Austria, Tel. 01/2161300,

www.filmarchiv.at - EINTRITT FREI!

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