Ungewöhnlich spät endete heuer die Stagione der Mailänder Scala. Knapp vor Torschluß gab es noch eine Balletturaufführung und mehrere ausgezeichnete Neueinstudierungen.
„Prove di Seena“ — „Bühnenprobe“ — nannte der Triestiner Giulio V i o z z i sein neues Ballett, das im Anschluß an Leos Janaceks selten gespielte Oper „Das schlaue Füchslein“, von Nino Sanzogno neueinstudiert, unter der musikalischen Leitung von Luciano Rosada erfolgreich uraufgeführt wurde. „Prove di Seena“ — das ist Ballett ohne falsches Pathos, Tanz ohne übertriebene Askese, Freude an rhythmischer Bewegung, am Spiel mit Figuren — und doch nicht musikalische Algebra, kurz gesagt: Viozzi ist ein echtes Ballett gelungen, das überdies die Welt des Tanzes so zeigt, wie sie wirklich ist, mit wieviel Ausdauer (und harter Arbeit) jede tänzerische Leistung erarbeitet werden muß ...
Ein ganzer Abend war Strawinsky gewidmet: „Der Feuervogel“, „Petruschka“ und „Le Sacre du Printemps“ bezauberten und schockierten wie vor einem halben Jahrhundert. Das Märchen vom Feuervogel und vom Prinzen, die Groteske vom Hanswurst und seiner unglücklichen Liebe zur Ballerina und schließlich die barbarische Frühlingsfeier — das sind drei verschiedene Welten. Und doch entstanden die drei Ballette im Laufe von wenigen Jahren ...
Der jugendlich-feurige Dirigent Rosada wurde jedem der drei Meisterwerke gerecht, und so kam eine mitreißende Neueinstudierung zustande, wie sie selbst an der Mailänder Scala selten genug ist. Die Solisten überboten einander an virtuosen Glanzleistungen, und das Corps du Ballet zeichnete sich ebenso aus wie das Orchester der Scala.
Zu unübertrefflichen mimischen und gesanglichen Leistungen spornten Nino Sanzogno und Giorgio Strehler die Künstler der Scala auch im „Strohhut von Florenz“ an. So gestaltete sich die Aufführung dieser zwei Jahre alten musikalischen Farce von Nino R o t a in der Piccola Scala zu einem blendenden, parodistischen Feuerwerk. Aber doch nur zu einem operettenhaften Feuerzauber, der rasch versprüht.
