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Als Graz die Avantgarde erfand

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Viele wollen es selbst heute noch nicht recht wahrhaben, aber was damals, knapp nach 1958, in Graz sich ereignete, war schlechthin Österreichs Kulturwunder, das zwar von den folgenden Jahren österreichischer Wirtschaftswunderherrlichkeit nie sonderlich profitierte, aber dafür dereinst als kulturelle Manifestation dieser Jahrzehnte seinen kunsthisto rischen Platz haben wird. Auch wenn das Wirtschaftswunder vielleicht zum längst Vergessenen gehören sollte.

Denn 1958 taten sich ein paar junge Autoren, Maler, Filmleute, Fotografen zusammen, um „etwas zu tun”. 1960 bezogen sie das alte Cafė im Grazer Stadtpark. Und in der Folge ereignete sich das kaum Glaubliche: „Pensionopolis” Graz erlebte es, daß, nur wenige Meter vom alten Burgtor entfernt, eine Hochburg der Avantgarde entstand. Das „Forum Stadtpark” wurde zum Qualitätsbegriff: Peter Handke gehörte (und gehört) dazu wie Alfred Kolleritsch, Harald Sommer wie Gert F. Jonke, Gerhard Roth wie Reinhard P. Gruber, Wolfgang Bauer wie die Maler der „Wirklichkeiten”…

Dieses nun auch den Wienern einmal wieder unter die Nase zu reiben, haben sich die Grazer in ihrer Ausstellung im Winterpalais des Prinzen Eugen, also im Finanzministerium, angelegen sein lassen. In der Serie „Konfrontationen” stellt sich das Forum Stadtpark erstmals in Wien als ganzes vor: als Produktions-, Dokumentations- und Informationsmaschinerie, die geistig mit dem Besten aus dem „Steirischen Herbst”, mit „Musikprotokoll”, mit „Trigon”, mit den „Manuskripten” und mit all den vielversprechenden oder längst arrivierten Künstlern in einem kaum trennbaren Zusammenhang steht. Also auch eine Bilanz dessen, wodurch heute das „Forum” geprägt wird, auf den Gebieten von Malerei, Film, Photo, Video, Architektur, Musik, Poesie, Kinderaktivitäten, Kunst im soziologischen Konnex. Lebendige Kunstgeschichte, Kunst der Gegenwart!

Pikanterie am Rande ist übrigens jene kleine Bilanz, die Alfred Kolleritsch in dieser Schau mitpräsentiert: daß nämlich die Summe, die ausreichen muß, um die „Fo- rum”-Aktivitäten eines Jahres in Gang zu halten, nicht einmal ausreichen würde, Maestro von Karajan eine Abendgage abzugelten. Was wie ein freundlicher kleiner Nasenstüber - auch fürs Finanzministerium - wirkt, denn von dort kommt ja schließlich das Geld. Und damit ja auch der letzte versteht, was Kolleritsch und seine Künstler meinen, steht auf den Papprobo- tem, die da inmitten goldgleißender Herrlichkeit des Palais auftrumpfen, der lapidare Satz „Nur Armut hat Zukunft”. Also immerhin wenigstens eine Aussicht: Demnach muß das „Forum Stadtpark” vor lauter „Zukunft” keine Angst haben. Auch wenn man sich im Grazer Stadtpark deshalb so oft gefragt hat, wie soli’s denn eigentlich weitergehen?

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