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Kunst im Datenraum

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Im Grunde genommen gelten für ein Festival dieselben Elemente wie für ein klassisches Drama: Es ist aus Ort, Zeit und Handlung aufgebaut. Man kann auch Überlegungen zum nun beginnenden steirischen. herbst mit Hilfe dieser Kategorien anstellen.

Zunächst die Zeit: Sie ist zwar von Beginn an gleich geblieben - Sep-* tember und Oktober -, doch hat sich die Qualität dieser Zeit geändert. In den Anfängen des Festivals bedeuteten diese Wochen den Auftakt zum kulturellen Geschehen der neuen Saison. Heute aber war gerade in Graz und darüber hinaus in der gesamten Steiermark von einer Buhepause nichts zu spüren. Ein „Event” jagte den anderen, so daß sich gegen Ende August schon gewisse Erschöpfungszustände bemerkbar machten. Der steirische herbst muß also mit unverwechselbaren, attraktiven Inhalten 18cken.

Das führt zur zweiten Kategorie, zum Ort. Ein Festspielhaus oder ein hinreichend geräumiges Kunsthaus liegen noch in der Zukunft, und gerade für die von diesem Avantgarde-Festival transportieren Inhalte sind die traditionellen Orte wie Stephaniensaal oder Künstlerhaus wenig geeignet, ganz zu schweigen von der -frei nach Schiller - „drangvoll fürchterlichen Enge” der Galerien und Museen.

Nun hat der herbst schon seit einigen Jahren aus der Not eine Tugend gemacht und sich nach attraktiven, ungewöhnlichen Behausungen umgesehen. Da gab es in den vergangenen Jahren Spielstätten wie Tram-wayremise, Brauereihalle, Glashaus im botanischen Garten oder Plätze in der Altstadt.

Heuer etwa findet die feierliche Eröffnung in einer ehemaligen Internatsschule statt, nahe der Altstadt doch fern aller Parkmöglichkeiten. Weitere Spiel- oder besser gesagt Ausstellungsorte sind die verschiedenen Galerien, an denen in Graz kein Mangel herrscht. Für einen Programmpunkt - die Bezeichnung „Event” ist hier durchaus am Platz - geht der herbst sogar in die Luft, nämlich auf das Flachdach des Post-Hochhauses. Dazu heißt es: „Für den Ausbau der kommunikativen Perspektiven muß man Orte einer neuen Kunst finden und erfinden.”

Damit ist man beim Kern des steirischen herbstes angelangt. Was im Theater die Handlung, das sind bei einem Festival die Inhalte. Ein traditionelles Unternehmen muß sich nicht unbedingt mit solchen Fragen abgeben. Die einmal gewählten Programmlinien haben sich bewährt und brauchen nur fortgesetzt werden.

Anders bei einem Avantgarde-Festival. Mehr als bei jeder anderen künstlerischen Veranstaltung wäre hier Stillstand nur Rückschritt. Immer schon hat man von der Kunst verlangt, sensibel auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren. Der steirische herbst hat diesen Auftrag seit jeher ernstgenommen, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg.

Die Gegenwart ist von der stürmischen Entwicklung der Kommunikationsmethoden und -mittel geprägt. „Vernetzung” als modernes Schlagwort spielt auch in Graz in den kommenden AVochen eine wichtige Rolle. Durch eine raffinierte technische

Installation werden Informationen aus dem Grazer Stadtraum mit dem globalen Datenraum verknüpft. Ein weiteres Projekt führt aus dem Forum Stadtpark in brennende soziale Probleme, wobei neue Kommunikationstechnologien an die Stelle der traditionellen Kunstmedien treten.

Aber ganz kann auch ein Avantgardefestival nicht auf diese Traditionen verzichten. Das Theater spielt selbstverständlich Ur- und Erstaufführungen, und das Musikprotokoll macht wie eh und je Musik hörbar, wenn auch fern von traditioneller To-nalität. Und für diese beiden Sparten greift man auf Schauspielhaus und Stephaniensaal zurück, denn, wie am Anfang gesagt, neue Örtlichkeiten sind dafür nicht vorhanden.

Aber das Festival heißt steirischer, nicht Grazer herbst. Mehrere Orte in der Steiermark bieten in völlig selbständiger Programmierung ihre Vorstellungen von Avantgarde: Jazz in Stainach, Klassische;, qualitätsvolle Moderne in Mürzzuschlag, Reflexionen über „das perfekte Publikum” im obersteirischen Schloß Farrach, ein Symposium über die Zerstörung der Erde im oststeirischen Pischelsdorf, und schließlich die herbstliche Besonderheit des Jugendmusikfestes in Deutschlandsberg, wo Kinder und Jugendliche gleichermaßen Ausführende und Zuschauer sind. Eine Besonderheit soll noch hervorgehoben werden: Der heurige steirische herbst ist das Werk der Intendantin Christine Frisinghelli, wohl weit und breit die einzige Dame, die zusammen mit ihren Mitarbeitern ein extremes Avantgarde-Festival programmiert, durchführt und schließlich auch verantwortet.

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