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Steiermark: Konturen einer Ära
Daß die Steiermark und ihre Landeshauptstadt Graz die Welt- ausstellung 1995 als einen wesent- lichen Anstoß für einen Neubeginn in wirtschaftlicher und strukturel- ler Hinsicht betrachten, ist mittler- weile bekannt. Daß die vor gar nicht langer Zeit noch so beispielhaft
lebendige Kulturszene in Graz müde geworden zu sein scheint, satt und träge, daß sie kaum mehr Im- pulsgeberin für diesen Kulturraum - mit Ausnahme der Architektur - geblieben ist, und ihre Vorreiter- rolle innerhalb Österreichs etwa auch an Wien abgeben mußte, scheint auch dem Beobachter von außen mittlerweile aufzufallen.
Was also liegt näher, als das Ele- ment der Trägheit einerseits und das Element des Aufbruchs ande- rerseits zu paaren und eine neue Ära des „Trigon-Gedankens“ ein- zuleiten?
Lange bevor anderswo die Idee der Weltausstellung als Realität begriffen wurde, hat die Steiermark im Herbst des vergangenen Jahres bereits ein Konzept für Aktivitä- ten, Maßnahmen und Forderungen erarbeitet, die in Zusammenhang mit der EXPO stehen. Dieses Kon- zept, in verschiedenen Sachberei-
chen von Expertenkommissionen erstellt, dient als eine Art Leitfaden für die weitere Planungsarbeit. Für die Steiermark gilt es, nicht bloß den Besucherstrom in Richtung Wien und Budapest zu bewältigen, sondern sie wird sich selbst im Großraum Graz und in den soge- nannten regionalen Zentren als zukunftsorientiertes Land der Weltöffentlichkeit präsentieren und so de facto einen dritten Ausstel- lungsort schaffen, der von seiner Attraktivität, seiner Bewerbung und seinem Konzept her durchaus gleichwertig mit den beiden ge- nannten sein wird.
Der Mikrokosmos eines nachbar- schaftlichen Gefüges von Teilstaa- ten soll sich anhand der ARGE Alpen-Adria der Öffentlichkeit gegenüber darstellen: ein „Mittel- europa“, das seit einem Jahrzehnt in vielen Bereichen bereits gelebt wird.
Auf zwei Gebiete werden sich die zusammenarbeitenden 19 Bundes- länder, Komitate, Teilrepubliken, Provinzen und Kantone vornehm- lich konzentrieren: auf Wissen- schaft, Forschung und Technologie einerseits und auf Kunst und Kul- tur andererseits. Modernste und effektivste Museumspädagogik soll einer zentralen Ausstellung „Mit- teleuropa“ (Arbeitstitel) zugrunde- liegen: keine Guckkasten-Exposi- tion, sondern eine lebendige, zur
Interaktion herausfordernde Dar- stellung des gemeinsamen Kultur- raumes und der gemeinsam verleb- ten Geschichte. Spektakuläre Leih- gaben aus den Teilnehmerstaaten Italien, Ungarn, Jugoslawien und Österreich sind vorgesehen. Die Vertreter dieser Staaten sind seit heuer in die inhaltliche Konzeption und in die Realisierung des Projek- tes einbezogen.
Der avantgardistische und futu- ristische Teil des Kulturangebotes beginnt mit einer Präsentation des Wissenschafts- und Forschungsbe- reiches, die mehr den Charakter einer „Science Adventure World“ als eines Technischen Museums haben soll. Ein Museum der Wahr- nehmung wird überleiten zu den neuen experimentellen Arbeiten von Künstlern aus dem Alpen- Adria-Raum, dem „Hexagon“, zu dem das „Trigon“ unterdessen schon angewachsen ist.
Neben den klassischen Darbie- tungen von Kunst und Kultur soll die steirische Tradition fortgeführt werden, als Wegbereiter und Weg- gefährte von Neuem zu fungieren. Für die Planungsarbeit ergibt sich daraus die Schwierigkeit, für Ent- wicklungen der kommenden fünf Jahre offen zu sein und bewußt Spielraum zu lassen für bisher noch Unbekanntes.
Daß daneben dem üblichen Kul- turbetrieb ebenso Platz geschaffen
wird, liegt auf der Hand: die Opern- häuser, Theater und Orchester der Alpen-Adria-Region sollen wech- selweise in ein ganzjähriges Dar- bietungsschema eingebunden wer- den, die Gemeinden sollen regiona- le Schwerpunkte setzen. Für jede Gemeinde wurde ein Kultur/Ge- schichte-Jubiläumskalender mit Vorschlägen für Aktivitäten ausge- arbeitet, der vor der Fertigstellung steht. Auftragsarbeiten und Wett- bewerbe in den verschiedensten Sparten, Aktionen, Festivals und Kongresse werden den Rahmen dafür abgeben. Außerdem sollen Steiermarks EXPO-Aktivitäten bereits im Herbst 1994 beginnen und bis Frühsommer 1996 dauern.
Nicht kurzfristige Besucher sol- len angelockt werden, sondern neues Leben soll in der kulturellen Szene des offen gewordenen Mit- teleuropa entstehen. Die Konturen eines solchen Planes stehen fest, sie auszufüllen wird ein spannendes Abenteuer.
Der Autor ist Leiter der Planungsgruppe Weltausstellung in der Steiermärkischen Lan- desregierung.
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