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Aufbruch in Krems

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Die Niederösterreichische Landesakademie in Krems, nach langen Vorbereitungsdiskussionen im Oktober des vergangenen Jahres eröffnet, hat nunmehr ihr langfristiges Programm vorgelegt. Entsprechend dem Gesetzesauftrag und nach Auswertung einer Bedarfsstudie sind sowohl in struktureller wie auch in inhaltlicher Hinsicht die Entscheidungen gefallen. Sechs Wissenschaftsfelder — Ökonomie, Technologie, Medizin, Jurispru-

denz, Geistes- und Kulturwissenschaften sowie Ökologie - werden in inhaltlicher Hinsicht die Schwerpunkte der zukünftigen Arbeit bilden. Was die Struktur betrifft, will die Landesakademie eine Alternative zum bestehenden Hochschulsystem darstellen und in kleinen Einheiten jene Defizite in Forschung und Lehre beseitigen, die in der gegenwärtigen Universitäts- und Wissenschaftslandschaft in Österreich bestehen.

Die sechs Wissenschaftsfelder sollen nicht allein Bausteine für eine neue Universität bilden, sondern zugleich auch eine Art Katalysatorfunktion bei der Entwicklung der zukünftigen Lehrprogramme übernehmen. Die Landesakademie hat sich von Anfang an auf Praxisnähe in Forschung und Lehre, auf postgraduelle Ausbildung und auf möglichst große Vernetzung in den Studiengängen spezialisiert.

Die bereits laufenden Programme auf dem Gebiet von Fremdenverkehr- und Tourismusmanagement, auf den Gebieten der Rechtswissenschaften, der Psychiatrie und der Pädagogik sollen durch entsprechende For schungszentren in der Technik, der Managementausbildung (Master of Business Administration) und nicht zuletzt auf dem Gebiet der Kultur- und Geistesgeschichte (Donauraumforschung) ergänzt werden.

Dieses Programm wird in drei Phasen verwirklicht: kurzfristig sollen in Aufnahme der bereits bestehenden Einrichtungen modulartige Ausbildungslehrgänge angeboten werden, die sich mittelfristig zu vernetzten Studiengängen zusammenfassen lassen und langfristig als Keimzellen einer universitären Gesamtausbildung dienen können.

Die besonderen Gegebenheiten Niederösterreichs ausnützend, will die Landesakademie dabei vor allem in praxisnahen Wissenschaftsbereichen tätig werden, um den Bedürfnissen der Wirtschaft ebenso wie den prognostizierbaren künftigen Wissenschaftsentwicklungen entgęgen- zukommen. Hoher Qualitätsanspruch soll dabei ebenso maßgeblich sein wie die Abkehr vom geläufigen Massenbetrieb der bestehenden Universitäten. Deshalb wird in Krems sowohl auf internationale Öffnung wie auch auf kleinere überschaubare Einheiten besonderer Wert gelegt. Demgemäß soll auch auf dem Gebiet der Lehre von Anfang an auf eine Einbindung von den in der Praxis stehenden Fachleuten geachtet werden.

Die Landesakademie wird dieses Programm in den nächsten Monaten in einer Fülle von Ver anstaltungen näher präzisieren. So ist etwa auf dem Gebiet der Technologie in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftsministerium ein hochgradig besetztes Hearing vorgesehen, das die Richtung der Arbeit für die nächsten Jahre weitgehend bestimmen soll.

Auf dem Gebiet des in Aussicht genommenen „Master of Business Administration“-Programmes ist bereits ein Vorvertrag mit der sowjetischen Akademie der Wissenschaften unterzeichnet, der, die Rolle Österreichs in den Ost- West-Beziehungen ausnützend, das Lehrangebot auch auf das höhere Management in der UdSSR ausdehnen soll. Auf dem Gebiet des Tourismusmanagements sind ähnliche Verträge abgeschlossen worden, wobei das lebhafte Interesse der östlichen Nachbarländer (Ungarn, Polen, Bulgarien) ebenfalls beachtet werden kann.

Diesem Raum gelten auch die ersten Vorhaben auf dem Gebiet der Geistes- und Kulturwissenschaften; Die donaueuropäische Region, die sich politisch seit einigen Jahren in einem rasanten Wandel befindet, soll in Krems in mehreren Forschungszentren historisch und auch in ihrer Aktualität erforscht werden. Neben literaturwissenschaftlichen und historischen Projekten wird ein Institut für das Studium der gegenwärtigen kulturellen Entwicklungen gegründet, das den Forschungsprogrammen eine lebendige Austauschstätte der Begegnungen zur Seite stellen soll. Niederösterreichs historisch-geopo-

litische Situation ausnützend, wird die Landesakademie hier die Kommunikation mit den Nachbarländern auf wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet fördern.

Schließlich soll auf dem Gebiet der Medizin in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Körperschaften eine Dachorganisation der ärztlichen Aus- und Fortbildung entstehen, die nicht nur koordinierend, sondern auch qualitativ der derzeitigen Arztausbildung zur Seite gestellt werden kann. Ähnliche Bestrebungen sind in Zusammenarbeit mit der Kammer der Rechtsanwälte auf dem Gebiet der post-graduellen Juristenausbildung geplant.

Sollte das geplante Technologiezentrum, das in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft entstehen soll, in den nächsten Monaten an der Landesakademie errichtet werden können, sind zunächst einmal die Grundsteine für jene zukünftige Entwicklung gelegt, die den langen Weg zur Universität zumindest in Konturen sichtbar werden lassen.

Die Landesakademie in Krems eröffnet eine Möglichkeit, die Vorteile der „Provinz“ mit einer internationalen Öffnung zu vereinen, sie bildet zu den derzeitigen österreichischen Universitäten eine wirkliche Alternative. In Verbindung des Anspruchs des Elitären und demjenigen der Praxis scheint sich hier ein dritter Weg zu eröffnen.

Der Autor, Professor für Philosophie an der Universität Wien, ist wissenschaftlicher Leiter der NO Landesakademie.

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