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Bischöfe unter Zwang gegen „Charta 77”

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Die Befürchtungen kirchlicher Kreise in der CSSR, daß kirchliche Persönlichkeiten und Institutionen zu Erklärungen gegen die Unterzeichner der „Charta 77” genötigt werden könnten, haben sich offenbar bewahrheitet. Die katholischen Kirchenzeitungen der Tschechoslowakei haben in den letzten Tagen solche Erklärungen der Bischöfe veröffentlicht, die in ihrem polemischen Tonfall dem Stil kirchlicher Äußerungen völlig widersprechen. Die Unterzeichner der „Charta 77”, in der bekanntlich unter anderem die Beeinträchtigung der religiösen Freiheit beklagt wird, werden in diesen Veröffentlichungen tschechischer Kirchenzeitungen der „Verleumdung und Schmähung der CSSR”, der „Beschmutzung des guten Namens der sozialistischen Länder”, der „Störung christlicher Friedensbemühungen” und des „Mißbrauchs der Religion für antisozialistische Ziele” geziehen.

Der Ton und die Aussagen der verschiedenen Erklärungen unterscheiden sich allerdings deutlich voneinander. Der Prager Bischof Tomäsek, der seine Erklärung namens der tschechischen Oberhirten abgab, beschränkt sich im wesentlichen au^dieJI’gststel- l’urig, daß „wjtTdie Ordinarien der Tschechischen Sozialistischen Republik … nicht zu den Signataren der ,Charta 77’ gehören”. Als Grund für diese Feststellung führt Tomäsek an, daß im Zusammenhang mit äer „Charta 77” „die verschiedensten Fragen und Vermutungen über die Rolle, die hiebei unsere Kirche spiele”, aufgetaucht seien. Tomäsek fährt sodann fort: „Soweites um den Bereich des religiösen Lebens unserer Gläubigen geht, sind dafür nur wir in der Einheit mit dem Heiligen Vater verantwortlich. Er entsendet seine Vertreter zu uns, und wir haben zu ihm volles Vertrauen. Niemand anderer aus den Reihen der Priester und Gläubigen ist daher berechtigt, den Standpunkt der Kirche unserer Heimat zu formulieren.” In katholischen Kreisen der CSSR wird diese im Zusammenhang mit der „Charta 77” und ihren Aussagen über die Situation der Kirche in der CSSR getroffene Feststellung als deutlicher Hinweis darauf gewertet,

daß nur die Bischöfe und nicht die Exponenten der vom Staat geförderten . Friedenspriesterbewegung „Pacem in tferris” für die Kirche in der Tschechoslowakei sprechen können.

In der Erklärung der slowakischen Oberhirten heißt es: „Der Standpunkt der Urheber der ,Charta 77’, die keine Positiva unserer sozialistischen Ordnung zur Kenntnis nehmen wollen, ist für uns befremdend. Ihre Taten und ihre Art helfen nicht, entstandene Probleme zu lösen; deshalb stimmen wir mit ihnen nicht überein.” Die slowakischen Oberhirten gehen jedoch in der Erklärung noch weiter. Sie bekennen sich als „treue Söhne unserer sozialistischen Gesellschaft” und erklären: „Gemeinsam mit unseren Gläubigen überzeugen wir uns täglich von dem Guten, das unsere sozialistische Gesellschaft für das Glück des Menschen schuf…” Das Anliegen der „Charta 77” ist im übrigen in vielen kirchlichen Stellungnahmen aus aller Welt unterstützt worden. Auch der Vatikan würdigte die Intentionen der Unterzeichner der Charta.

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