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Blockfreiheit in den achtziger J ahren

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Was Tito, Nehru und Nasser, Nkrumah, Soekarno und Makarios im September 1961 in Belgrad begonnen hatten, sollte 20 Jahre später den A ußenministern der inzwischen schon auf fast 100 Mitglieder angewachsenen Bewegung bei ihrem Zusammentreffen in der indischen Hauptstadt Neu Delhi Anlaß für eine Stunde des Gedenkens sein.

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Was Tito, Nehru und Nasser, Nkrumah, Soekarno und Makarios im September 1961 in Belgrad begonnen hatten, sollte 20 Jahre später den A ußenministern der inzwischen schon auf fast 100 Mitglieder angewachsenen Bewegung bei ihrem Zusammentreffen in der indischen Hauptstadt Neu Delhi Anlaß für eine Stunde des Gedenkens sein.

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Anstatt dessen bestimmte der Einmarsch sowjetischer Truppen in das nicht erst seit 1961 blockfreie Afghanistan, das Fortdauern der vietnamesischen Okkupation Kambodschas und der Ausbruch einer Serie bewaffneter Konflikte zwischen Staaten der blockfreien Gemeinschaft die Thematik einer Konferenz, die nach dem Willen vieler blockfreier Staaten schon lange vor dem Februar 1981 fällig gewesen wäre.

Daß eine große Mehrheit von Staaten der Dritten Welt nach der tumultu- ösen Konferenz von Havanna - in der manche das Ende einer Blockfreiheit nach dem Idealbild der Gründungsväter gesehen hatten - noch einmal mit einer Stimme sprechen könne, erschien vielen fast ausgeschlossen. Zu sehr schien der Graben zwischen den Anhängern einer authentischen Blockfreiheit einerseits, den Verfechtern der Weggemeinschaft mit dem von der Sowjetunion geführten Lager andererseits aufgerissen.

Tatsächlich schien die Summe dieser Gegensätze der Bewegung gerade im letzten Jahr ein Schweigen zu vielen

Vorgängen der Weltpolitik aufzuerlegen, das ihrer Glaubwürdigkeit keineswegs förderlich gewesen war.

Diese Passivität hinderte die Mitgliedschaft allerdings nicht daran, in den Vereinten Nationen und anderswo ihrer Meinung freien Lauf zu lassen. Die Größe der Malaise deutete auch der Umstand an, daß trotz Vorhandenseins des nötigen Stimmpotentials in der Generalversammlung die Wahl der Präsidialmacht der Blockfreien in den Sicherheitsrat scheiterte.

Entgegen allen pessimistischen Vorhersagen und auch trotz manchen Ver- suchens, bestimmte Probleme in den Hintergrund zu schieben, hat die Gruppe der Blockfreien in Neu-Delhi ihre Stimme wiedergefunden.

Gewiß bedurfte es langer und schwieriger Auseinandersetzungen, um im Hinblick auf die Vorgänge in Afghanistan und Kambodscha Grundsätze zu bekräftigen, die seit jeher Credo blockfreier Politik waren: Einmarsch und Verbleib fremder Truppen - selbst solcher eines anderen blockfreien Staates - in blockfreie Länder kann nicht hingenommen werden.

So erhob die Konferenz von Neu- Delhi die dringende Forderung nach

Abzug aller fremder Truppen aus Afghanistan als Basis für eine politische Lösung, die im Zeichen vollen Respekts vor Unabhängigkeit, Souveränität, territorialer Integrität sowie des blockfreien Status von Afghanistan zu stehen hätte. Eine Lösung müsse auch auf der strikten Beobachtung der Prinzipien der Nicht-Intervention sowie der Nicht-Einmischung beruhen.

Eine ebensolche Forderung erhoben die Außenminister der Blockfreien, was die Lösung der Kambodscha-Frage anbelangt: eine umfassende politische Lösung sei auch in diesem Fall ohne Abzug der fremden Truppen undenkbar.

Die unzweideutige Sprache, die die Blockfreien zu diesen drängenden Problemen heutiger Weltpolitik gefunden haben, deutet auf die weiterhin bestehende Fähigkeit der Bewegung hin, gegen äußere Bedrohung ein hohes Maß inneren Zusammenhalts zu finden.

In diesem Zusammenhang muß auch der Versuch, den Blockfreien eine differenzierte Einschätzung des Verhaltens einzelner Supermächte aufzuzwingen, als gescheitert betrachtet werden. In den

Augen der Mehrzahl blockfreier Staaten rechtfertigen weder ideologische noch andere Optionen die Ausbreitung der Machtsphäre einzelner Supermächte in dem einmal als blockfrei erkannten Raum.

Daß sich diese Abwehrhaltung heute auch gegen die Sowjetunion richtet, kann sohin keineswegs als Ergebnis westlicher Manöver in der Dritten Welt bezeichnet werden.

Scheinen einzelne Ergebnisse von Neu-Delhi diesmal den Westen zu begünstigen, wäre es dennoch ein Fehler, daraus voreilige Schlüsse im Hinblick auf eine Kurskorrektur der Blockfreien zu ziehen. Gewiß sind Stimmen, die

heute einer Politik der Äquidistanz, ja sogar einer gewissen Annäherung an den Westen das Wort reden, im Kreis der Blockfreien wieder erstarkt.

Auch die Politik des Westens wird aber letztlich nach ihren Ergebnissen und Konsequenzen beurteilt werden. Würde etwa ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis der Vereinigten Staaten zu Eingriffen in der einen oder anderen Region der Dritten Welt führen, könnte dies sehr rasch einen neuen Stimmungsumschwung verursachen.

Auch eine Verhärtung westlicher Positionen im Nord-Süd-Dialog wäre keineswegs das geeignete Mittel, eine neue Politik der Blockfreien zu begünstigen.

Sollten etwa die Vereinigten Staaten ihre Absicht wahrmachen, eines der wichtigsten von den Vereinten Nationen in letzter Zeit erzielten Verhandlungsergebnisse - nämlich jenes betreffend ein neues Seerecht - in Frage zu stellen, würden damit gerade jene Staaten (wie etwa Singapur) am härtesten getroffen, die sich in Neu-Delhi zu Anwälten dieser neuen Politik der Blockfreien gemacht haben.

So sehr es den Blockfreien heute wieder möglich erscheint, auf äußeren Druck geschlossen zu reagieren, geringer scheint ihr Potential, auf Konflikte zwischen blockfreien Staaten schlichtend einzuwirken. Dies gilt besonders für den Konflikt zwischen den beiden Blockfreien Irak und Iran.

Aus der blockfreien Bewegung kommende Bemühungen zur Beilegung dieses Konfliktes haben sich bisher als fruchtlos erwiesen. Bleibt die Enttäuschung und Frustration über diese Entwicklung heute im wesentlichen auf den Iran beschränkt, so könnte sie schon

bald weiter um sich greifen und bei mehr als einem Mitglied die Frage nach der Nützlichkeit der Bewegung in solchen Fällen auslösen.

Daß dem konfliktshemmenden Potential der Organisation Zweifel entgegengebracht werden, zeigt etwa auch der in Neu-Delhi zum Ausdruck gekommene Wunsch der afrikanischen Staaten, die Frage der libyschen Intervention im Tschad nicht vor diesem Forum, sondern lieber im Rahmeft der Organisation für Afrikanische Einheit zu erörtern.

Wer nach den Konstanten der blockfreien Politik in den achtziger Jahren sucht, wird diese, aber auch viele an-

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