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Blockfreie im Dilemma

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Der Block der Blockfreien steht vor neuen Prüfungen, diesmal anders geartet als in seiner kurzen, knapp 17 Jahre langen Geschichte. Mit dem Wegfall der Schlagworte gegen Kolonialismus, Neokolonialismus und Imperialismus haben die Blockfreien offenbar ihre Orientierung verloren. Ihr Zusammenhalt hat wiederum durch die schnell wachsende Zahl der blockfreien Staaten sichtlich gelitten. Von den großen Männern der Blockfreien - Nehru, Sukarno, Nasser, Makarios - ist seit den historischen Konferenzen von Bandung und Belgrad nur noch Tito Übriggebheben.

Der 86jährige ist die Gallionsfigur der Blockfreien, dessen Autorität und Ideen diese Bewegung überhaupt noch zusammenhalten. Wie stark der Druck und die von außen unter die Blockfreien getragenen Versuchungen sind, zeigt der schwierige Ablauf der Vorbereitungskonferenz der Blockfreien in Havanna, wo gerade noch der kleinste gemeinsame Nenner für die im

Juni in Belgrad geplante Außenministerkonferenz gefunden werden konnte.

Schon daß das Vorbereitungstreffen von der afghanischen Hauptstadt Kabul auf Grund des dort stattgefundenen Putsches prosowjetischer Kräfte nach dem ebenfalls prosowjetischen Kuba umdirigiert werden mußte, zeigt das Dilemma der Blockfreien auf. Aber auch die Richtung, aus welcher der Blockfreiheit akute Gefahr droht. Kuba, dessen Söldnerheere von einem Ende Afrikas zum anderen marschieren, spielt heute offen die Karten seines Hintermannes Moskau und versucht die Blockfreien zu willigen Satelliten des Kreml umzufunktionieren,

Die politische Naivität und UnStabilität vieler junger Regierungen, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten junger Staaten und enttäuschte Hoffnungen spielen den Sowjets in die Hände. Daß Moskau den in Afrika vehement erwachenden schwarzen Nationalismus schürt, ist offenkundig. Die weißen Flecken auf der politischen Weltkarte, die nicht von den militärischen Blöcken des Warschauer Paktes und NATO abgedeckt werden, sind zum Konfrontationsfeld der Großmächte geworden.

Es sind also nicht mehr die klassischen kolonialen Konflikte von gestern, sondern neue Differenzen und vor allem neue Formen des Kampfes um die Vorherrschaft in der Welt. Das Auftauchen der Sowjetunion als „afrikanische Macht“ scheint nur eine Abwandlung der Ziele der roten Weltrevolution und die Teilnahme Kubas die typische Form des „Exportes der Revolution“ zu sein. Das Schicksal der europäischen Satelliten im Ostblock wiederum zeigt, was die solcherart befreiten afrikanischen Länder erwartet, ja wie überhaupt die Zukunft der Blockfreiheit aussehen könnte: Jugoslawien, das seine bitteren Erfahrungen mit dem sowjetischen Hegemonismus hat, warnt eindringlich davor. Wohl nicht zuletzt deshalb, da mit dem Wegfall der Stützte auf die blockfreie Welt dem blockfreien Jugoslawien heue Gefahren drohen.

Komplikationen für Belgrad zeichneten sich selbst während der Visite des polnischen Parteichefs Gierek bei Tito auf Brioni ab. Der jugoslawische Staats- und Parteichef mußte zur Kenntnis nehmen, daß Polen mit Jugoslawien zwar noch die engsten Kontakte (ausgenommen Rumänien) im Ostblock unterhält, in weltpolitischen Fragen jedoch fester denn je im Lager Moskaus steht. Insbesondere in der Zuweisung der Rolle der blockfreien Staaten in der Weltpolitik, die Gierek wie Moskau zur Solidarisierung mit den „sozialistischen Staaten“ aufforderte, womit Belgrads Hoffnung auf die Vermittlung Warschaus zu Moskau enttäuscht wurde.

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