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Der Kannst-mir-nicht-Effekt

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Aus repräsentativem Goldrahmen starrt durchbohrenden BUckes der Paterfamilias, als einziger im Ohrenstuhle thronend, inmitten der ihn ehrfurchtsvoU vun-stehenden Sippe. Pomadescheitel, Goldzwicker, Kaiserbart, Uhrkette, Vatermörder - nach meinerBerechnung muß Urgroßvater 1889 Mitte dreißig gewesen sein. Urmahbar, steif, souverän - höchste Instanz der Großfamilie.

Vater 1989:

Er hat mit seiner Frau die Schwangerschaftsgymnastik geturnt, bei den Wehen im Kreißsaal mitgepreßt. In seinem Karenzjahr schiebt er den Kinderwagen durch den Park und schüttelt gewissenhaft das Fläsch-chen.

Der Wandel muß sich ganz heimlich, stiU und leise in den letzten Dezennien Vollzogenhaben.

Außeres Zeichen: der

Vatertag begiimt sich durchzusetzen. Unsere bayerischen Nachbarn f eiem übrigens den Vater- vor dem Muttertag. Koimten die sich noch ein iSipf eichen Vorrang behaupten?

Der Handel schmückt seine Schaufenster mit Krawatten, Hemden, Hochprozentigem. Welcher Drachen von Eheweib, welches

Gfraßt von undankbarem Balg wagte es wohl, diese Winke zu übersehen? Und lange kann es lücht mehr dauem, daß sich auch die Schnulzenindustrie des Hiemas aimimmt: „Väterlein fein“ vmd „Papi, so heb…“

Wegen seiner meist doch stärkeren beruflichen Belastung ist Vater vielleicht noch nicht so sehr Männchenfür aUe wie seine Frau Mädchen für alles geworden ist, doch neigt sich seine patriarchalische Schonzeit mehr und mehr dem Ende. Nicht so plump wie bei Forderungen an Mutter, der man nvir ein „Ach, übrigens, ich brauche…“ hinwirft, wird Vater mit der sanften „Kannst mir nicht…“-Umschreibung geködert. Ganz Raffinierte fügen noch hinzu: „Weißt, keiner macht das so wie dul“ Unter diesem Ansporn darf er daim vergessenen Tumbeuteln nachfahren, den Radireifen flicken und nach dem dritten Pinsch zvir Professorin pilgern. Mit einem Wort: er ist dabei, sich zu emanzipieren.

Wir sind jetzt beim Überlegen, wie Papi am heurigen Vatertag diese zunehmende

Gleichberechtigung am wirkungsvollsten zur Schau steUen körmte.

Ein Teil der Familie meint, wir müßten mit ihm „schön-essen“ gehen, der andere, man solle ihn - einmal ohne Konunentar-zumStamm-tisch lassen…

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