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Ein Jubiläum, das nicht vergessen werden sollte

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1778. England, das im Siebenjährigen Krieg das mit Österreich verbündete Frankreich aus Amerika und Indien hinausmanövriert hat, steht im Kampfe mit seinen eigenen Kolonien am Westufer des Atlantik, die sich zwei Jahre vorher für unabhängig erklärt haben. Im indischen Raume scheinen sich neue Möglichkeiten aufzutun. Nordwestlich von Sumatra liegen die 19 Inseln der Nikobaren, 1772 Quadratkilometer groß, aber an seestrategisch wichtiger Stelle, heute der Indischen Republik ziLgehörig. Auf sie werden Maria Theresia und Joseph II. aufmerksam gemacht.

Die flandrische Küste, seit dem Spanischen Erbfolgekrieg österreichisch, darf infolge der ungünstigen Verträge mit England und den Niederlanden nicht genützt werden. Aber es gibt toskanische und adria- tische Häfen. Der stürmische Joseph ist skeptischer als seine sonst so bedächtige Mutter. Er kennt die ungünstige maritime Lage östereichs: „Unsere Flaggen blieben jedem Seeräuber ausgesetzt und die etwaige Vermehrung unseres Handels wäre anwiederum nur ein Dom in aller Augen.“ Trotzdem: „Dem Bolts, so wenig ich auf sein ganzes Unternehmen halte, ist dennoch der Oberstleutnantstitel zu ertheilen“, schrieb Joseph wörtlich.

Wilhelm Boltz, deutscher Abstammung, in Amsterdam geboren, stach mit einem in England gekauften Schiff, das er „Joseph und Theresia“ nannte, in See, warb in Livorno italienische Mannschaft an und lud Waren um 700.000 Gulden. In Triest nahm er Soldaten und Geschütze an Bord. An der afrikanischen Dela- goabai gründete er zwei Forts, „St. Joseph“ und „St. Maria“, und warb eine Negertruppe an. Nach wechselvoller Reise bestzte er die Nikobaren militärisch und hoffte, dort werde ein Stützpunkt für den künftigen Chinahandel entstehen. In Wirklichkeit hatte er nicht nur mit der Feindschaft Englands, das sich, bereits als Beherrscher Indiens fühlte, zu rechnen, sondern auch mit an sich fraglichen Besitztiteln Dänemarks und Portugals.

Wie Kaiser Joseph richtig vorausgesehen hatte, fehlte, dazu bei den damaligen Verkehrsverhältnissen, die Flotte, um eine starke Kolonialpolitik zu betreiben. Obwohl das Antwerpener Bankhaus Proli große Kapitalien investierte, endeten die Geschäfte im Konkurs. Die politischen Verhältnisse jener Zeit taten das übrige. Von Österreichs großen Ostasienplänen blieb der Name der Nikobareninsel Teressa.

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