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Graham Greene, einer der erfolgreichsten Autoren der jüngsten Vergangenheit, hatte dem herkömmlichen Erzählen wesentliche Anstöße gegeben, indem er die Techniken der Kriminalstory und des Filmes konsequent im Roman anwandte. Er selbst unterteilte seine Bücher in „entertainments", die nur der Unterhaltung dienen wollten, und in „novels", die literarischen Ansprüchen genügen sollten.

Greenes österreichischer Verlag entschloß sich, anläßlich des 85. Geburtstages des Autors, zu einer Neu-Edition seiner Werke, da die bisherigen Übersetzungen mit einer Ausnahme unzureichend waren. Die ersten vier Bände (in einer Kassette) erschienen mit mehr als einjähriger Verspätung, gerade noch rechtzeitig zum Tod des Schriftstellers vor nicht ganz einem Jahr. Was das ehrgeizige Vorhaben verzögert hatte, war Greens besondere Eigenart, die auch den neuen Übersetzern einige Schwierigkeiten bereitete. Greene ist dafür bekannt, Geschichten von Abenteuer und Liebe, Verrat und Verbrechen zu schreiben, Erzählungen voller Spannung und hintergründiger Bedeutung. Seine Stärke ist die Schilderung von Episoden und Szenen, die er anschaulich wie ein Kameramann einfängt. Weniger die brillante Formulierung oder stilistische Eleganz eines Autors waren daher zu übertragen, als der Greene-sche Tonfall, seine erzählerische Note, die zur Bezeichnung „Greeneland" geführt hat.

In welchem Maß dies in der neuen Übersetzung gelang, wird an den ersten vier Romanen deutlich. Die früheren Übersetzungen muten beinahe lyrisch und getragen, aber auch verschwommen und ungenau an, die heutigen Texte geben sich dagegen sachlich und realistisch, bleiben dicht am Gegenstand.

Die Erzählungen über Außenseiter und Versager, Gescheiterte und Verzweifelte sind in der Art handfester Kolportagen und reißerischer Krimi-nalstories gehalten. Es gelang Marion Zerbst, die .Zwiespalt der Seele" übersetzte, und Gerhard Beckmann, der die drei anderen Bände aus dem Englischen übertrug, das unverkennbare Greenesche Kolorit besser zu treffen, als dies bei den Übersetzungen von Walther Puchwein seinerzeit der Fall war. Die Neu-Edition ist daher ein verdienstvolles Unternehmen, dem die Aufmerksamkeit des Publikums und der Kritik gleichmaßen gebührt.

Wermuthstropfen: Greene hatte für die erste Gesamtausgabe 1960-65 zu jedem Roman ein Vorwort geschrieben, in dem er die Entstehungsgeschichte, besondere Probleme bei der Niederschrift und die eigene Einstellung zu dem Buch schildert. Darauf wurde hier verzichtet. Jedenfalls bleibt zu hoffen, daß mit dieser neuen Ausgabe das Mißverhältnis von Publikumserfolg und kritischer Einschätzung abgebaut wird.

ZWIESPALT DER SEELE / ORIENT-EXPRESS / DAS SCHLACHTFELD DES LEBENS / EIN SOHN ENGLANDS. Von Graham Greene. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1991. Zwischen 232 und 288 Seiten, je öS 232,40.

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