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Fanatiker und Fachmann

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Dem legendären Burgtheaterdirektor Heinrich Laube wurde ein „österreichisches Schicksal" zuteil. Er stammte aus der schlesischen Stadt Sprottau, war der Sohn eines Maurermeisters und sollte Theologie studieren, schloß sich aber bald der liberal-revolutionären Bewegung des „Jungen Deutschland" an- „Sein

Auftreten war tumultuarisch" schrieb Ludwig Speidel.

Er, der in Deutschland seiner politischen publizistischen Tätigkeit wegen zu Gefängnishaft verurteilt worden war, wäre wohl kaum Direktor des Burgtheaters geworden, hätte es nicht vorher das Revolutionsjahr 1848 gegeben. Kurz nach den März-Ereignissen - am24. Aprü 1848-ging hier Laubes Schauspiel „Die Karlsschüler" über die Bretter. Schiller ist die Hauptfigur in diesem Stück, und der schleudert in einer langen Ti-

rade seinem Herzog Sätze entgegen wie: „Vor unsern Augen all und überall Druck auf Herz und Hirn." Ende des folgenden Jahres war Laube Direktor des Burgtheaters.

Er nahm es radikal ernst, vertauschte die politische Radikalität mit der künstlerischen. Er verlangte einen Fünf-Jahres-Vertrag, denn, so sagte er, „nach zwei bis drei Jahren bin ich nur verhaßt — schaffen und mir Freunde erwerben kann ich erst im vierten und fünften Jahr." Er behielt recht. Aus den fünf Jahren wurden achtzehn.

Der ruppige, stämmige Mann, der stets in Bewegung war, begann seine Arbeit vor allem beim Ensemble. Er erneuerte und verjüngte es ohne Rücksicht auf

Empfindlichkeiten. Er hatte einen untrüglichen Blick für die Art der Begabung eines Schauspielers und die außerordentliche Fähigkeit, diese Begabung zur Entfaltung zu bringen. Er führte ein ausgesprochenes Regie-Theater, lehnte allerdings strikt das ab, was er „Tapezierer-Regie" nannte, die Hypertrophie der Ausstattung. Er legte das allergrößte Gewicht auf die geistige und sinnliche Durchdringung und die Deutlichkeit des Worts.

Laube war es, der — von seinen Pariser Aufenthalten angeregt — im Burgtheater das gesellschaftskritische Konversationsstück pflegte. Hermann Bahr meint, Laube habe auf diese Weise von der Bühne herab die Illusion einer Wiener Gesellschaft geschaf-

. fen, die es in Wirklichkeit gar nicht gab. Zu seinen Großtaten gehörte die Wiederaufnahme von Grillparzers Dramen.

Bürokratie bereitete der Direktion Laube das Ende. Der Baron Münch-Bellinghausen (als Dramatiker bekannt unter dem Namen Friedrich Halm), den Laube für einen Freund hielt, wurde zum Leiter einer neu geschaffenen Hoftheater-General-Intendanz bestellt, die Laube so gut wie aller künstlerischen Kompetenzen beraubte. Er bat um Entlassung und schied unbedankt.

Aber er gab nicht auf. Mit der finanziellen Beteiligung des Wiener Bürgertums wurde auf der Seilerstätte, dort, wo heute noch das „Ronacher" steht, das Stadttheater errichtet. Laube über-

nahm die Direktion und meinte, hier freizügiger arbeiten zu können als im Burgtheater. Er brachte denn auch die damals modernen Dramatiker — so Ibsen — heraus. Nicht nur finanzielle Schwierigkeiten bereiteten dem Unternehmen ein Ende: ein Brand vernichtete das Innere des Gebäudes. Laube sprach von einer „Wunde", die er von diesem „Theaterfeldzug" davongetragen, und fügte hinzu: „Auch die Schauspieler gebärden sich als Kinder der Geldepoche." Dennoch gab er auch diesmal nicht auf, entwickelte neue Pläne, die später zur Gründung des Deutschen Volkstheaters führen sollten. Der Tod hinderte ihn an ihrer Verwirklichung.

Heinrich Laube hat, unter seinen vielen Schriften, zwei Bücher von unschätzbarem Wert für die Wiener Theatergeschichte hinterlassen: eines über das Burgtheater und eines über das Stadttheater. Sie lesen sich, als wären sie heute geschrieben.

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