6827647-1974_20_11.jpg
Digital In Arbeit

Filmträume

Werbung
Werbung
Werbung

Johannes Schaaf — seine beiden früheren Werke „Tätowierung“ und „Trotta — Die Kapuzinergruft“ gehören zu den besten deutschen Filmen der letzten Jahre — hat das Wagnis unternommen, den einzigen, 1909 erstmals veröffentlichten Roman von Alfred Kubin „Die andere Seite“ zu verfilmen. Die erste Fassung dauerte über drei Stunden, die nunmehrige etwas mehr als zwei — manchmal etwas, langatmig, meist aber faszinierend und dennoch das Vorbild nicht erreichend, gehört „Traumstadt“ immerhin zu den wenigen Filmen, über die man diskutieren kann. Am schönsten sind die Umsetzungen von Kubins phantastischen Traumvisionen dann, wenn die Kamera zu malen beginnt: so die stumme Reise durch Berge und Wüste, das Zeltlager in der Morgensonne, der Todesschimmel oder der Baum der Toten mit weißen Käferlarven behängt — das sind Bilder voll Poesie und mythologischer Ausdruckskraft (die übrigens manchmal an Pasolini erinnern!). Doch vieles ist schon dagewesen, bei Fellini ebenso wie bei Bergman, bei Dali und Max Ernst, und vieles ist allzu symbolträchtig und bedeutsam, und zuviel Spektakel begibt sich mitunter vor der Kamera: die Alpträume sind so gewaltig, daß für Traumgespinste kein Platz mehr bleibt...

Doch eben immerhin ein Film, über den man sprechen, diskutieren kann, wie gesagt. Über die Killerfilme, die jetzt Woche um Woche um Abhärtung des Publikums bemüht sind, sollte man lieber schweigen. Ob „Ein Fall für Cleopatra Jones“ oder „Jefferson Bolt — Reisender in Dynamit“ oder „Brutale Schatten“, wie auch immer die Titel lauten mögen, Inhalt und Gestaltung sind immer gleich: Geheimagenten oder nunmehr auoh -agentinnen, weiß oder schwarz, Polizisten, bezahlte Killer, stets mit Karatekünsten und Schießwaffenarsenal ausgestattet, töten in unwahrscheinlicher Gleichgültigkeit 100 Minuten lang unter Absolvierung immer neuerer und originellerer Brutalitäten. An die Herren Psychologen und Psychiater ergeht die Frage, ob dergleichen noch „gesunde Abreaktion aufgestauter Aggressionen“ im Zuschauer bewirkt oder vielleicht bereits totale Abstumpfung gegenüber Gefühlen jeder Art? Jedenfalls erzielt diese heute bereits alltägliche, im Kino zu genießende Welle der Gewalt nun schon langsam die Wirkung tödlicher Langeweile und Spannungs-losigkeit (an Stelle von Empörung und Protesten)...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung