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Glanzvolle Lucia

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Juble, Wien - eine mit hauseigenen Kräften besetzte „Lucia di Lammermoor“ war lange Zeit nur ein kühner Wunschtraum. Und daß sie Wirklichkeit wurde, sollte als Indiz dafür gewertet werden, daß es um das Haus am Ring keineswegs so steht, wie manche vieUeicht mehr politisch als sachlich motivierte Kritik an der Amtsführung Seefehlners es sieht. Und daß die Erkrankung von Frau Ghazarian, die am Dienstag die Lucia hätte singen sollen, nicht zur sonst unvermeidlichen Programmänderung führte, sondern Frau Gruberova zur Verfügung stand, verstärkt nur den (äußerst unbescheidenen) Wunsch, ein solches Ereignis möge uns etwas öfter beschert werden.

Edita Gruberova singt, typusbedingt, die Lucia etwas anders, als gleichwertige Primadonnen sie anderswo zu singen pflegen. Heller. Jünger. Mädchenhafter. Mit weniger Verdi-Tragik. Aber wer sagt, daß das nicht ebenso richtig ist - angesichts der Tatsache, daß Donizetti diese Figur vom Orchester her auch ganz anders bedacht hat, als Verdi sie behandelt hätte? Die süßen Töne aus dem Orchester legitimieren Edita Gruberova als dek-kende Besetzung.

Und qualitativ - technisch, stimmlich - ist an ihrer Lucia nicht das geringste auszusetzen, und es dürfte wenige Leute geben, die den Triumph nicht erwartet haben. Es war ein fulminanter Abend, ein rauschender Triumph, und daß unmittelbar nach dem letzten Koloratur-Perlchen einer Arie, in der sich - inhaltlich! - der ganze Jammer eines unglücklichen und todgeweihten Menschen Luft macht, Jubel losbrandet, das gehört zu den verfremdenden Effekten der Oper,

die nach Worten und „Bedeutung“ nicht fragt.

Der Glanz des Abends war, oder vielmehr, angesichts der Verfügbarkeit der Besetzung, ist Edita Gruberova zu danken, Peter Dvorsky als Ed-gardo läßt zukünftige glanzvolle Leistungen ahnen. Das Material ist makellos, aber bedarf noch der Entwicklung, und die Intensität des Gefühlsausdrucks muß erst erworben werden. Ein großes Versprechen. Aber noch kein bombensicher gedeckter Scheck. Ein junger, sorgloser Drauflossinger. Der eine oder andere Gasttenor mag schon vorgemerkt sein...

Matteo Manuguerra (Enrico) hat die wohltuende Sicherheit und Festigkeit dessen zu bieten, der seine Möglichkeiten voU entwickelt hat. Siegfried Vogel fügt sich ein, aber nicht so giatt und gut wie Thomas Moser, Czeslawa Slania, Christopher Doig.

Eine Glanzvorstellung dank Edita Gruberova auch deshalb, weü Giuseppe Patane kaum mehr als (nicht einmal ganz glatte) Dirigenten-Routine zu bieten hat und Boleslaw Barlog als Regisseur und PanteJis Dessyllas als Bühnenbüdner (der Saal in Schloß Ravenswood ist sogar wunderschön!) aües aufboten, was konventioneüe Oper zu bieten hat, aber keinen Hauch mehr. In diese Inszenierung wird sich jeder Gast leicht einfügen, denn in den meisten Szenen kommt es wirklich nicht darauf an, ob er genau dort steht, wo er stehen soll, oder etwas daneben (im räumlichen Sinn!). Zwischen solchem Verharren in der Konvention und einer das Publikum beunruhigenden Modernität sollte es doch noch Nuancen geben.

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