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Hildegard

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Anläßlich eines Aufenthal-tes im Rheinland habe ich nicht nur das Geburtshaus von Karl Marx in Trier besucht, sondern bin auch den Spuren der heiligen Hildegard von Bingen (1098 bis 1179), deren Fest auf den 17. September fällt, nachgegangen.

. Diese Frau, die Äbtissin in zwei rheinischen Klöstern war und als begnadete Mystikerin in die Kirchengeschichte eingegangen ist, war aber auch eine den Problemen ihrer Zeit zugewandte Frau. Sie ist mit großen weiblichen Gestalten wie Katharina von Siena und Therese von Avila zu vergleichen, die allesamt ihren Mann stellten, ja wichtige weltliche und geistige Würdenträger ihrer Zeit beeinflußten. Nicht zuletzt dadurch haben sie so die Klischees von der ständigen Unterdrückung der Frau in der Kirche und der Weltfremdheit der Klosterleute widerlegt.

Hildegard von Bingen war es in besonderem Maße gegeben, in ihre Zeit hineinzuwirken. Sie stand mit den bedeutendsten Persönlichkeiten ihrer Epoche, wie dem heiligen Bernhard von Clairvaux,^ in Verbindung und wurde von der Trierer Synode von 1147/48 in ihrem Ruf als pro-phetissa teutonica, als durchdringende Seherin und Mahnerin, bestätigt.

Selbst Friedrich I. Barbarossa bat sie auf seine Pfalz in Ingelheim zu sich und empfing ihren Rat.

Prophetenschicksal aber ist es, nicht nur die Wohltaten der Macht zu genießen, sondern gelegentlich auch wider ihren Stachel zu locken.

So scheute sich denn auch die heilige Hildegard nicht, ihrem Schutzherrn zu widersprechen. Als Barbarossa 1164 einen Gegenpapst ernannte, wies sie ihn mit den harten Worten in die Schranken: „Gib acht, daß der höchste König dich nicht zu Boden streckt!“

Hildegard predigte auch öffentlich und legte sich bei solchen Gelegenheiten, wenn es die Sache erforderte, auch mit der kirchlichen Autorität an. So predigte sie in Trier gegen die Verweltlichung des Klerus.

Die heilige Hildegard war auch eine Vorläuferin der modernen Naturheilkunde und Homöopathie. Sie galt als erste Ärztin und demonstrierte durch diese Qualität die Aufgeschlossenheit der mittelalterlichen Kirche für naturwissenschaftliche Fortschritte.

Die Heiligen verherrlichen durch ihr Leben nicht nur Gott, sondern regen durch ihr Vorbild auch zur Nachfolge an. So war die vom Heiligen Vater erst unlängst seliggesprochene Edith Stein, die jüdische Konvertitin und katholische Nonne, eine besondere Verehrerin der heiligen Hildegard und ihrer Reliquien.

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