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Holokaust-Gedenken auf amerikanisch

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„Die allerweil mit ihrem Holo-kaust. Die sollen sich doch einmal die Geschichte ihres Umgangs mit den Indianern oder mit den Schwarzen anschauen, bevor sie da so einen Zirkus veranstalten." Ein langjähriger Bekannter formuliert seine kleinformatige Haltung zur österreichischen Debatte rund um die Eröffnung des „US-Holocaust Memorial Museum" in Washington und rund um die dann doch nicht erfolgte Teilnahme von Bundespräsident Thomas Klestil. Ein zu rasch geworfener Stein. Einer jener Sorte, die dann geworfen werden, wenn man selbst ein nicht ganz reines Gewissen hat, wenn man selbst noch nicht den Umgang mit der Vergangenheit in den Griff bekommen hat.

Was haben die Amerikaner mit dem Holokaust zu schaffen, daß sie gar ein nationales Museum zum Gedenken einrichten (dürfen)? Im Gegensatz zu den Österreichern, die mit dem amerikanischen Umgang mit Indianern und Schwarzen keine faktische, sondern bestenfalls eine moralische Berührung gehabt haben und haben, waren die Amerikaner in den Umgang der Nazis mit Juden und politisch, rassisch, religiös Verfolgten involviert - und zwar als Befreier von diesem Terrorregime.

Im historischen Konjunktiv zu argumentieren, ist eine heikle und mitunter sinnlose Angelegenheit - doch: was wäre aus Europa, aus Österreich geworden, hätten die Amerikaner sich nicht eingeschaltet? Und uns nicht die Demokratie (zurück-beziehungsweise beigebracht? Und auch nicht das European

Recovery Program?

Das amerikanische Nationalmuseum zum Gedenken an den Holokaust will neben der Information über die historischen Ereignisse auch gegenwärtige rassisch, religiös, politisch motivierte Verfolgungen aufzeigen. Letztere Forderung wurde schon anläßlich der Eröffnung eingelöst, als auf den Völkermord im ehemaligen Jugoslawien und die Parallelen zum Holokaust hingewiesen wurde. Dieser Hinweis wäre auch Thomas Klestil als Staatsoberhaupt eines (ehemaligen) Nachbarstaates gut angestanden - auch ohne Termin bei Bill Clinton.

Daß die Gestaltung des Museums „amerikanisch" ist, wie hochnäsige europäische Besserwisser konstatieren, zeigt eine völkerverachtende Ignoranz. Wie anders als amerikanisch soll eine amerikanische Institution aussehen. Das Museum soll ja nicht europäische Kritiker befriedigen, sondern den Amerikanern als Stätte des Gedenkens, der Aufklärung, des Bewußtmachens der Greuel des nationalsozialistischen Holokaust und aller gegenwärtigen Verfolgungen von Einzelpersonen, Gruppen und Völkern außerhalb des demokratischen Strafrechts dienen. Und vielleicht können die hochnäsigen Kritiker ihren Abscheu über das Wie und Wo überwinden und sich inhaltlich mit dem Holokaust auseinandersetzen - und auch mit ihrer Ab- und Vorverurteilung einer Kultur- und Lebensform, wie in diesem Fall der amerikanischen.

Der Autor ist Student und wird im Oktober seinen als Ersatz für den Zivildienst anerkannten Gedenkdienst im „US-Holocaust-Memorial Museum" antraten.

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