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Lyrik trotz Auschwitz

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Adornos Satz, nach Auschwitz wäre Lyrik so gut wie unmöglich, hat wie kein anderer unser Verhältnis zur modernen Lyrik bestimmt. Demgegenüber steht als Paradox die Lyrik Paul Celans, in der Auschwitz zum Thema wurde. Die „Todesfuge“, entstanden 1945, ist wohl die bekannteste lyrische Schöpfung nach dem Krieg. Dieses Gedicht lesen und interpretieren heute schon alle Gym nasiasten im deutschen Sprachnaum, und solange die historische Dimension in der Erziehung eine Rolle spielen wird, soll die „Todesfuge“ einen Platz in den Lesebüchern haben: Nachvollzug einer Vergangenheit durch das Gedicht, einer Vergangenheit, welche diese Jugend nicht zu bewältigen braucht. Celans Bedeutung als Fortsetzer einer esoterischen Tradition der Lyrik läßt sich heute noch nicht ermessen. Seine Gedichte haben der literaturwissenschaftlichen und auch linguistischen Forschung Anregungen gegeben und neue Wege gezeigt. Dem Banausen freilich sind Celans Gedichte geradezu widerwärtig, weil er sie nicht „versteht“.

Es ist daher angebracht, daß es von Celans Gedichten eine Auswahlausgabe gibt, deren einziger Nachteil es ist, daß sie sich mit einer anderen Auswahl (edition suhrkamp 262) überschneidet, ja überschneiden muß. Der Herausgeber, Klaus Reichert, ist sich dieser Schwierigkeiten auch bewußt und hat mit Recht nicht auf die bekannten Gedichte aus der früheren Zeit verzichtet. Doch erhält das leicht erschwingliche Buch auch durch die Veröffentlichung einiger Gedichte aus dem Band „Schneepart“, der, von Celan selbst noch vorbereitet, heuer erscheinen soll, seinen besonderen Wert.

AUSGEWÄHLTE GEDICHTE. Von Paul Celan. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Mein, 1970. (Band 264 der Bibliothek Suhrkamp.) 194 Seiten, DM 5.80.—.

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