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Museum als Museumsstück

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„Der Architekt versucht den Geist der Ordnung und den Sinn für Zusammenhänge in seinen Planungen zu verwirklichen. Die Durchbildung der Form ist keine Schöpfung des Geistes allein.“ Programmatische Worte für eine Architektur der Realisierbarkeit, für eine radikal pragmatische Architektur.

Realisierbarkeit war immer Maxime für Karl Schwanzer, einen der bedeutendsten österreichischen Architekten der letzten Dezennien. Das Museum des Zwanzigsten Jahrhunderts widmete ihm, seinem Erbauer, knapp drei Jahre nach dessen Tod, eine Retrospektive. Schwanzer war einer, der an die Tradition moderner österreichischer Architektur anschloß. Mit großzügigen, großflächigen, schmucklosen Konstruktionen. Er war nie Verfechter einer utopisch-verspielten Avantgardearchitektur, sein Experiment war ein kalkuliertes, ausgewogenes, „sich mit den Mitteln begnügendes“. Eine Architektur allerdings, in der sich die

emotionale Kraft des Erbauers materialisierte: „Zwischen Skizze und Ausführung liegt viel persönliches Engagement, soll das einmal Entworfene zum Leben erweckt werden.“

Schwanzers Engagement war in seinen Bauten präsent. Etwa in dem Verwaltungsgebäude der BMW in München, seiner reifsten und international gewichtigsten Schöpfung. Strenge wird hier zugunsten einer Plastizität aufgeweicht, zugunsten einer Integrierung von Formen, Farben, fast motorischen Elementen. Für Schwanzer war Architektur Lösen von psychischen Bedürfnissen, Umsetzen von Bauen in Leben. Das zeigt sich vor allem in seinen Kindergartenentwürfen, die das kreative Element, das Sich-Aneignen eines Lebensraumes betonen, das kreative Element des Architektur-„Konsumenten“. Oder in den unpre-tentiösen, nur scheinbar konventionellen Altersheimen.

Daneben die Ausstellungshäuser, wie das Museum des Zwanzigsten Jahrhunderts, oder der Österreich-Pavillon in Montreal 1967. Vorbilder für viele moderne Museen. Für Schwanzer erschöpfte sich Architektur nicht im Bauen und Hinstellen von Häusern, bedeutete Bauen soziales Design. Das zeigen auch seine Möbelentwürfe, seine Raumkonzeptionen. „Bauprojekte ohne Bedarfsursachen werden nicht realisiert. Ihre Pläne verfallen dem geistigen Müll.“

Schwanzer hat auch Kirchen gebaut, wie die in Pötzleinsdorf und die Leopoldauer Pfarrkirche. Hier ist es ihm um die Verbindung von Sakralem und profaner Sinnlichkeit gegangen. Architektur nicht als Abbild einer gesellschaftlichen Wirklichkeit, sondern als soziale Antizipation. Auch wenn Schwanzer seine Pläne nicht immer realisieren konnte, Konzessionen machen mußte, den Zwängen einer veralteten Auffassung von Bauen und Wohnen ausgeliefert war, seine Bauten haben immer wieder reale Utopie in sich geschlossen.

Das Museum des Zwanzigsten Jahrhunderts dokumentiert seine Entwicklung mit Photos, Konstruktionsplänen, Modellen, autobiographischen Notizen und programmatischen Erklärungen. Und dann ist der Museumskomplex selbst wohl das beste Demonstrationsobjekt für Schwanzers Idee einer sozialen, sinnlichen Architektur. Das Museum als Museums-stück.

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