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Nach Agentenausbildung „Legale Übersiedlung”

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Der Geheimdienst der DDR schleust unter der Legende der „legalen Übersiedlung” verstärkt Agenten in die Bundesrepublik ein. Die Einschleusung der Agenten erfolgte in früheren Jahren unter der Tarnkappe des „politischen Flüchtlings”. Mit der zunehmenden Verstärkung der Grenzsperren hat jetzt auch der DDR-Geheim- dienst seine Einschleusungsmethoden verbessert.

Die auffallend zunehmende Zahl der legalen Ubersiedler im arbeitsfähigen Alter nutzt der Staatssicherheitsdienst der DDR für die Anwerbung neuer Agenten. Dabei werden nicht nur die ausreisewilligen DDR-Bewohner für nachrichtendienstliche Zwecke angeworben, sondern auch deren Angehörige im Westen. Die Aktivität der DDR-Nachrichtendienste beginnt zumeist nicht erst mit dem Antrag auf Übersiedlung, sondern schon dann, wenn der Bewohner des Bundesgebietes bei Besuchsaufenthalten, Geschäftsreisen, Teilnahme an politischen Veranstaltungen oder während eines Urlaubs in einem Land des kommunistischen Machtbereichs einen DDR-Bewohner näher kennenge- - lernt hat. Häufiges Druckmittel der DDR-Nachrichtendienste ist die Dro hung, man werde keine weiteren Besuchsreisen in die DDR gestatten.

Bei der Anwerbung neuer Agenten spielen Frauen eine wesentliche Rolle. Besonders geschulte attraktive junge DDR-Frauen fungieren als Lockvögel. Diese Damen treten besonders in jenen Hotels der DDR auf, in denen Geschäftsreisende und Touristen aus westlichen Ländern absteigen. Ein Überläufer und ehemaliger SSD-Mit- arbeiter sagte darüber aus, das Ministerium für Staatssicherheit habe bei den interessanten Hotels einen großen Teil des Personals zur Spitzeltätigkeit verpflichtet. Viele Hotelzimmer seien mit den modernsten Abhörmikropho- hen ausgestattet, in der Erwartung, daß die westlichen Gäste etwas Wichtiges ausplaudern könnten, und sei es auch nur im Schlaf. Nicht selten überwacht auch eine eingebaute Fernsehkamera jede Bewegung der westlichen Gäste, mit der Absicht, sie irgendwann in flagranti mit einer „Beischläferin” filmen und später dann erpressen zu können.

Die Hauptverwaltung „Aufklärung” im Ministerium für Staatssicherheit drillt außerdem in einer Spezialschule bei Dessau weibliche Personen für den Agenteneinsatz in der Bundesrepu-

blik. Wie in diesem Zusammenhang zu erfahren war, werden die Anwärterinnen mit den modernsten Methoden der Nachrichtendienste vertraut gemacht.

Der DDR-Geheimdienst nutzt jede sich bietende Gelegenheit zur Agentenwerbung aus. Insbesondere bemüht sich der SSD, Personen ausfindig zu machen, die qualifiziert genug sind, später in nachrichtendienstlich interessante Zielobjekte eingeschleust zu werden. Der DDR-Geheimdienst geht bei seiner Tätigkeit grundsätzlich davon aus, daß fast jeder Besucher aus dem Westen von „interessanten” Dingen wisse oder solches Wissen verschaffen könne. Ziel der DDR-Ge- heimdiensttätigkeit sind Informationen über wissenschaftliche Forschungen und Entwicklungen, sowie Unterlagen über die NATO-Streitkräfte. Ferner sind Auskünfte über internationale Beziehungen westlicher Länder und Angaben über Flüchtlinge gefragt.

Die DDR rechtfertigt ihre Spionage mit der angeblich entspannungsfeindlichen Haltung des Westens und mit der „kriegstreiberischen Politik des Imperialismus”.

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