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Nationalbank würdigt Seipel

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Mit’ den beiden eben erschienen Bänden hat die Oesterreichische Nationalbank ihre siebenbändige monumentale Darstellung der österreichischen Währungsgescftichte seit ihrer Gründung fortgesetzt, die gleichzeitig ein gutes Stück österreichischer Staats- und Wirtschaftsgeschichte ist. Das Werk „Das österreichische Noteninstitut 1816-1866“ wurde von dessen langjährigem verdienstvollem Bibliothekar Dr. Siegfried Pressburger, der letzte Band unter Mitwirkung* von Dr. Richard Bajez, verfaßt und zeichnet sich auch bei der Darstellung jener Geschichtsperioden durch große Sachlichkeit und Uberparteilichkeit aus, die auch heute noch mit einer starken innenpolitischen Sensibilität verbunden sind.

In dieser Hinsicht ist insbesondere die Würdigung Dr. Ignaz Seipels beachtenswert, dessen inzwischen legendärgewordene Sanierungsaktion - die in der zweiten Nachkriegszeit durch die Stabilisierungsaktion Reinhard Karnitz’ eine gewisse Parallele gefunden hat - sich wie das Drehbuch eines Kurzfilms liest: nachdem Seipel am31. März 1922 seine erste Regierung gebildet und sich die Sanierung der damals desolaten Währungs- und Finanzverhältnisse zur vornehmsten Aufgabe gemacht hatte, folgten in der denkbar kürzesten Zeitenfolge die berühmte Genfer Rede (6. September), die Unterzeichnung der Genfer Protokolle (4. Oktober) sowie die Beschlußfassung aller damit verbundenen Gesetze (einschließlich des neuen Nationalbankgesetzes) durch das Parlament (November und Dezember) und schließlich die erfolgreiche Zeichnung der Sanierungsanleihe (Juli bis August 1923). Die Genfer Protokolle sind nicht nur als eine der ersten international praktizierten erfolgreichen Auflagen von Bedeutung, die mit internationalen Beistandskrediten heute wieder hochaktuell sind, sondern auch deshalb, weil sie uns die von den Sozialdemokraten damals heftig abgefeimte Unabhängigkeit der Notenbank von der Regierung gebracht hät, mit dergp Verwirklichung auch die Stabilisierung der Krone unverzüglich Hand in Hand gegangen ist.

Es ist sehr zu hoffen, daß die Nationalbank bei der Aufarbeitung ihres so interessanten Archivmaterials nicht mit dem Jahre 1923 - ehe noch die Schillingwährung eingeführt wurde - stehen bleibt. Wenn schon die dem Titel beigefügte Zeitangabe in Perioden führt, für deren Beurteilung man zunächst noch glaubt, zuwenig Distanz zu haben, so sollte dies für die Zeitgeschichte unentbehrliche Werk möglichst bald doch wenigstens bis zur Wiedergeburt des Schillings nach dem Zweiten Weltkrieg fortgeführt werden. Das ist die Nationalbank auch der wichtigen Rolle schuldig, die sie dabei gespielt hat.

DAS ÖSTERREICHISCHE NOTENINSTITUT 1816-1966, 6. und 7. Band, im Auftrag der Oesterreichischen Nationalbank verfaßt von Dr. Siegfried Pressburger (unter Mitarbeit von Dr. Richard Bajez), Eigenverlag, 2350 Seiten.

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