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Nur Dummheiten

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Auf den Begleitdokumenten dreier mittelgroßer Kisten, die sich im Zollhaus des Flughafens Lod befanden, stand: „Maschinenteile zum Transport nach Belgien.“ Beim öffnen der Kisten jedoch entdeckten die verblüfften Zollbeamten einige Handgranaten, Kleinkalibermunition, Maschinenpistolen und Revolver.

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Auf den Begleitdokumenten dreier mittelgroßer Kisten, die sich im Zollhaus des Flughafens Lod befanden, stand: „Maschinenteile zum Transport nach Belgien.“ Beim öffnen der Kisten jedoch entdeckten die verblüfften Zollbeamten einige Handgranaten, Kleinkalibermunition, Maschinenpistolen und Revolver.

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Die Waffen erwiesen sich als der israelischen Armee gestohlenes Diebsgut. Sie sollten nach Belgien und danach in die USA geschmuggelt werden. In Amerika sollten sie dem jüdischen Gegenterror der „Liga zur jüdischen Verteidigung“ bei Attentaten gegen arabische Diplomaten dienen.

In den letzten Tagen beschäftigte sich das israelische Kabinett in außerordentlichen Sitzungen mit Maßnahmen zur Bekämpfung des arabischen Terrors in Europa, der gegen israelische Diplomaten und andere im Ausland wohnende Israelis gerichtet ist. Dem Massaker in München folgten bekanntlich die mit Sprengstoff präparierten Briefe ah israelische Botschaften, bei denen ein Diplomat ums Leben kam; weitere Terroraktionen sollen, nach inzwischen bekanntgewordenen Informationen, in' absehbarer ^eit folgen.

Noch wurde kein entscheidender Regierungsbeschluß gefaßt, denn ein demokratischer Staat kann und will die Souveränität anderer Staaten nicht untergraben. Doch einer kann es offenbar 'und will es: Israels Gegenterrorist, Rabbi Meir Kahane. Vor zwei Jahren versprach er, für jeden in einem Zwangslager umgekommenen Juden zwei russische Diplomaten „umzulegen“. Dieses Mal verhieß er den arabischen Diplomaten im Ausland „Tod und Verderben“ als Sühne für vergossenes jüdisches Blut.

Kürzlich wurde nun der amerikanische Staatsbürger Meir Kahane, der trotz seiner Einwanderung nach

Israel (1972) die amerikanische Staatsangehörigkeit der israelischen vorgezogen hatte, festgenommen. Er steht unter dem Verdächt, an dem oben genannten Waffenschmuggel beteiligt gewesen zu sein.

Rabbi Meir Kahane (Jahrgang 1932) ist Begründer, .selbsternannter Kommandant und..Schatzmeister der „Liga zur jüdischen Verteidigung“,, die 1968 in Amerika ins Leben gerufen wurde, um Synagogen gegen antisemitische Übergriffe zu verteidigen. Schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit spezialisierte diese Liga sich auf antisowjetische und antikommunistische Aktionen. Rabbi Kahane ist auch Operationschef seiner Liga, die angeblich über 13.000 Mitglieder in aller Welt hat und die auf seinen persönlichen Befehl hin zu Terroraktionen eingesetzt werden kann.

Die erste Aktion erfolgte am 29. Dezember 1969. Einige jüdische Studenten besetzten in New York die Büros der russischen Nachrichtenagentur „TASS“, der Sowjetluftlinie „Aeroflot“ und das offizielle russische Verkehrsbüro „Intourist“ für einige Stunden. Auf diese Welse sollte gegen die antijüdischen Maßnahmen in der Sowjetunion protestiert werden. Einige Wochen später wurde durch Mitglieder der Liga für einige Minuten eine russische Verkehrsmaschine besetzt. Außerdem wurde eine Anzahl von Konzerten, in denen russische Solisten, Chöra und Tanzensembles mitwirkten, gesprengt oder gestört.

Nach dem „antizionistischen“

Schauprozeß in Leningrad besetzten Ligamitglieder vier Stunden lang die offizielle russische Handelsmission „Amtorg“ und verprügelten einige russische Diplomaten. Dies wurde nun auch den Amerikanern zuviel. Der damalige UNO-Delegierte der USA, Charles Jost, mischte sich ein und forderte „das Ende der Dummheiten“.

„Dankend abgelehnt“

Rabbi Kahane ist ein Eigenbrötler. Er kam bereits 1963 nach Israel und sollte damals die Auslandsabtei-lung der religiösen Bar-Ilan-Univer-sität leiten. Vor seiner Abreise aus Amerika versprach er seinen Angehörigen, „bald als Minister ins israelische Kabinett einzuziehen“, kehrte jedoch nach drei Monaten unverrichteterdinge in die USA zurück. Er ist der Sohn eines amerikanischen Rabbiners und Bruder des Ministerialdirigenten Nachman Kahane, der in Israel des Religionsministerium leitet.

Kahane behauptet, allein in Amerika 10.000 Anhänger zu haben. Nichtbestätigten Angaben zufolge hätte ein amerikanischer Millionär namens Deutsch dem Rabbi Kahane Gelder zur Verfügung gestellt. Vor einiger Zeit — nach dem Anschlag von München — wandten sich Ligamitglieder an den israelischen Geheimdienst mit dem Angebot, mit ihnen gegen den arabischen Terror zusammenzuarbeiten. Doch alle Vorschläge wurden israelischerseits dankend abgelehnt. Man ist hier der Ansicht, daß der Waffenschmuggel nur versucht wurde, um die Liga wieder in den Brennpunkt des Interesses der Öffentlichkeit zu rücken. Bisher hat Kahane mit seinen in Wirklichkeit nur wenigen Anhängern (man spricht von insgesamt einigen Hundert in der ganzen Welt) immer mehr Erfolg bei den Massenmedien als bei seinen Terroraktionen gehabt.

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