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Rußland aus den Angeln

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Ob Nationalitätenfrage, wirt­schaftliche Umgestaltung oder politische Emanzipation: Das Machtmonopol der KPdSU hat Lösungen im Sowjetreich immer erschwert, wenn nicht verhin­dert. Da halfen auch Michail Gorbatschows Beschwörungen noch am ZK-Plenum im April des Vorjahres nichts, die Partei müsse „Avantgarde der Pe­restrojka" bleiben.

Jetzt blieb dem Staats- und Parteichef der UdSSR garnichts anderes mehr übrig, als über die Eindämmung der Folgen nach­zudenken daß aus der Diktatur des Proletariats eine Diktatur der Partei geworden war. Bei Beibehaltung des Status quo kann niemals die von Gorbat­schow unentwegt verlangte Aktivierung des „Faktors Mensch" in der UdSSR erreicht werden.

Was die Sowjetunion dringend braucht, sind Strukturen, Insti­tutionen und Möglichkeiten, daß sich Menschen anders als über die Kommunistische Partei artikulieren können. Das Fest­klammern an der Ideologie von der führenden Rolle der Partei hat demokratische Aufbrüche immer abgeblockt. Der so­genannte „ demokratische Zen­tralismus" hat das Gegenteil von dem bewirkt, was er zu leisten anstrebte. Politisch, national und wirtschaftlich zerfällt das Sowjetimperium.

Weht jetzt der Geist Andrej Sacharows über dem Kreml? Des verstorbenen Bürgerrecht­lers letztes Gefecht mit Gorbat­schow ging um die Frage des Führungsanspruches der Par­tei als eines Hindernisses für die Entwicklung des Landes. Lenin wollte mit einer Partei Rußland aus den Angeln heben. Jetzt muß Gorbatschow mit Pluralismus verhindern, diesen Anspruch wahr werden zu las­sen.

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