Sanierung eines starren Systems von oben herab
Von innen erneuert Mexikos Präsident Carlos Salinas de Gortari die hegemoniale Staatspartei.
Von innen erneuert Mexikos Präsident Carlos Salinas de Gortari die hegemoniale Staatspartei.
Hält er durch, wird sie 1994 wieder den Präsidentenstellen — allerdings auf der Basis von fairen Wahlen, was für Mexiko aufregend neu ist. Die Kampagne für die Präsidentschaftswahl 1994, die über die Kontinuität der erfolgreichen wirtschaftlichen Reform entscheidet, läuft bereits an. Es ist ein besonderer Wahlkampf, weil mit ihm die Frage der politischen Reform unaufschiebbar wird. Seit 1929 regiert die Staatspartei PRI (Partido Revolu-tionario Institucional) autokratisch. Wahlen wurden, mit Manipulationen, regelmäßig mit Zweidrittelmehrheit gewonnen. Der jeweils auf sechs Jahre bestellte Staatspräsident, der immer der Revolutionsaristokratie entstammen mußte, konnte das Land uneingeschränkt regieren. Legitimität holte sich das Regime lange aus der gut funktionierenden "mmmmm' Modernisierungspolitik.
Als das Regime in den späten sechziger Jahren zum ersten Mal ins Stolpern kam, protestierten die Studenten, die im Oktober 1968 auf der historischen Tlatelolco-Plaza massa-
kriert wurden. 1988 kandidierte Cuauhtemoc Cardenas als PRI-Dissi-dent - und gewann beinahe die Wahl. Präsident Carlos Salinas de Gortari übernahm dann die Rolle, die in der Sowjetunion Gorbatschow zugefallen war, ein erstarrtes System von oben zu sanieren. Er scheint die gewaltige Aufgabe zu schaffen. Salinas hielt vorerst den allmächtigen Parteiapparat intakt und konzentrierte sich auf die wirtschaftliche Reform, die inzwischen makroökonomisch bestechende Leistungen aufweist. Gerade wegen der Nordamerikanischen Freihandelszone (Nafta, über die der US-Kongreß am Mittwoch, 17. November, abstimm -_, te, Ergebnis lag bei Redaktionsschluß noch nicht vor) muß jetzt auch die politische Reform erfol-
Damit dürfte sich in den kommenden Monaten im Wahlkampf ein letztes Mal das byzantinische Verwirrspiel um den „ta-pado" abspielen. Der „ta-pado" ist im Jargon des Hahnenkampfes der bis zuletzt versteckt gehaltene' Favorit. Natürlich gibt es auch heuer einige „tapa-dos". Einer von ihnen ist der tüchtige Bürgermeister der 20-Millionen-Me-tropole Mexiko-Stadt, Manuel Camacho Solis. Als jedoch im August das (vom PRI dominierte) Parlament im Geist der neoliberalen Reform ein neues Mietrecht durchzog, meuterten die einfachen Leute, die - um .überleben zu können -
jetzt in Nachbarschaftsvereinigungen organisiert sind und mit dem maskierten „Superbarrio" (eine Gegenfigur zum US-Superman) politisch markant auftreten.
Camacho lief Gefahr, als „tapa-do", weil „quemado", verbrannt, ausscheiden zu müssen. Prompt si-stierte Salinas das beschlossene Mietsgesetz auf fünf Jahre. Anekdoten dieser Art zeigen, daß solcher Byzantinismus einer politischen Öffnung weichen muß, der sich auch die Staatspartei — sie wird in Zukunft um interne Wahlen nicht herumkommen - zu beugen hat.
Als Linkspopulist führt Cuahte-moc Cardenas seinen PBD (Partido de la Bevolucion Democratica) in die Wahlschlacht; der ältere PAN (Partido de Accion Nacional) sticht aus liberaler Perspektive in die alten Herrschaftsstrukturen.
Jedoch ist Präsident Salinas mit seinem bemerkenswerten „Solidaritätsprogramm" (direkte Finanzhilfe und materielle Unterstützung für Entwicklungsprogramme von Nachbarschaftsgruppen und Bauernligen) derart erfolgreich, daß der PRI-Kan-didat als Favorit ins Rennen geht. Cardenas PRD leidet zudem an internen Querelen. Dem PAN wurde der Wind aus den Segeln genommen, weil ihr traditionelles Liberalisierungsprogramm von Präsident Salinas weitgehend erfüllt worden ist. Obendrein überholte Salinas diesen Sommer einmal mehr die Opposition, indem er das Parlament in Sondersitzungen die überfällige Wahl-und Politikreform (mit der Einrichtung einer unabhängigen Wahlbehörde) diskutieren ließ.
