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Nach der Familien-AG.

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Das Bild der mittelamerikanischen „Dominikanischen Republik“, in der am 16.- Mai Wahlen stattfinden, wird von der Vorstellung eines ständigen Machtwechsels — 90 Staatschefs in 125 Jahren — und von der Erinnerung an einen Diktator, dessen Habgier nur von seinem Größenwahn übertroffen wurde, sowie an die letzte militärische Intervention der USA im karibischen Raum geprägt.

Als 1961, im 31. Jahr der „Tru-jillo-Ära“, der „Generalissimus Doktor Rafael Leönidas Trujillo“ in seiner Hauptstadt „Ciudad de Trujillo“ aus persönlicher Rache, nicht aus politischen Motiven, ermordet wurde, konnte man auf tausenden von Denkmälern lesen, daß er „Wohltäter des Vaterlandes“, „Protektor der Arbeiterklasse“ und „Genie des Friedens“ gewesen sei. Er hatte das ganze Land als eine Familien-AG betrachtet. Um die interamerikanische Feindschaft gegen sein Regime zu mildern, hatte er den Anwalt, Schriftsteller, Diplomaten und Uni-versitätsrektor Dr. Joaquin Balaguer, der sich an der Korruption des Regimes nicht die Finger schmutzig gemacht hatte, zum Präsidenten eingesetzt. Nach dem Tode Trujillos änderte Balaguer den Namen der Hauptstadt wieder in „Santo Domingo“, entfernte Bilder und Statuen seines Gönners und suchte das Ruder in der Hand zu behalten. Er wurde aber in dem „Wechselbad der Macht“, das für diesen Staat typisch ist, 1962 gestürzt. 1970 wurde er jedoch legal znm Präsidenten gewählt und kandidiert bei den jetzigen Wahlen für eine dritte Amtsperiode.

Sein wichtigster Gegenspieler, der jetzt 65jährige Juan Bosch, zweifelt an der Möglichkeit, im Rahmen einer parlamentarischen Demokratie die unerläßliche Änderung der dominikanischen Sozialstruktur zu erreichen. Er tritt bei diesen Wahlen nicht mehr auf die Bühne des politischen Theaters, bleibt aber hinter den Kulissen seine wichtigste Figur.

Er lebte von 1936 bis 1962 im Ausland, vor allem in Havanna und Paris, und gilt als ein prominenter Erzähler und Literarhistoriker. Er gehört — wie sein Freund, der venezolanische Schriftsteller und ExPräsident Römulo Betancourt — zu jener Gruppe linksliberaler Intellektueller, deren Auffassungen sich weitgehend mit denen von John F. Kennedy deckten. Als er 1962 zum Präsidenten gewählt wurde, fuhr er zuerst zu Kennedy nach Washington.

Kurz nach seiner Amtsübernahme erklärte er: „Das Dilemma ist klar: Demokratie oder Kommunismus ... Kommunismus bedeutet Tod, Krieg, Zerstörung und Untergang aller menschlichen Werte.“ Er blieb nur acht Monate an der Macht; dann setzten ihn Offiziere ab, die ihn als Sozialreformer für einen Kommunisten hielten. Aber das Heer war gespalten. Ein Anhänger Boschs, der Oberseleutnant Francisco Caamano, suchte mit einer Gruppe verfassungstreuer Offiziere die Militärjunta zu stürzen. Er bildete eine konstitutionelle Regierung, um den — inzwischen wieder einmal emigrierten — Juan Bosch neuerlich in sein Amt einzusetzen. Eisen-hower befürchtete, daß sich aus einem Bürgerkrieg ein neues fide-liistisches Regime entwickeln könnte und schickte 40.000 Mann Fallschirmtruppen und Marineifan-terie in die Dominikanische Republik. Die OAS funktionierte die Invasion in eine „multilaterale Intervention“ um; ein „Friedensheer“, an dem auch brasilianische, bolivianische und paraguayische Truppen teilnahmen, schuf Ordnung. Die Führer der Bürgerkriegsparteien wurden in eleganter Form entfernt. Caamano wurde Militärattache in London und Den Haag. Im Februar 1973 tauchte er wieder auf. Er landete — in grotesker Nachahmung Castros — mit 7 Guerrilleros an dem entlegenen Strand von Caracoles. Anscheinend wartete er darauf, daß diese Aktion entweder Boschs Partei „Partido Revolucionärio Domini-cano“ (PRD) oder eine der beiden (pro-Moskau oder pro-Peking) KP's zum Aufstand veranlassen werde. Aber er und seine Kameraden — mit einer Ausnahme — wurden im Kampf mit den Regierungstruppen erschossen. Balaguer behauptete, Bosch und seine Partei hätten mit Caamano unter einer Decke gesteckt.

Nach heftigen Auseinandersetzungen hat sich in dem sogenannten „Abkommen von Santiago“ (nicht zu verwechseln mit der chilenischen Hauptstadt) eine Oppositionsfront aus 5 Parteien gebildet, deren wichtigste Boschs PDR ist. (Ihr gehört auch das „Partido Revolucionärio Social Cristiano“ und die einstige Partei des rechten Bürgerkriegschefs Wessin y Wessin, „Partido Quis-queyano Demöcrata“ an.)

Sie halben den Gutsbesitzer Sil-vestre Antonio Guzmän als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt. Der Kampf' bei den Wahlen vom 16. Mai entscheidet sich zwischen Balaguer und Guzmän. Drei weitere Kandidaten (der frühere Vizepräsident Francisco Augusto Lora für die Partei „Movimiento de Integration Democrätica“, Jaime Manuel Fer-nändez für „Conciliaciön Nacional“ und Luis Homero Lajara Burgos für „Partido Demöcrato Populär“) haben geringe Ohancen.

Blutige Zusammenstöße zwischen Anhängern Balaguers und Guz-mäns bei einer Demonstration gegen die Regierung und die USA zum 9. Jahrestag der nordamerikanischen Invaston kennzeichnen das harte Wa'hlklima in dem Kampf um die risikoreiche Präsidentschaft.

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