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Macchiavelli von La Paz

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Als im August 1971 der .damals „ultrarechte“ Oberst Hugo Banzer den mit Moskau flirtenden General Juan Jose Torres stürzte, rätselte man, wer die Zusammensetzung des neuen Regimes manipuliert habe. Es ruhte auf drei Pfeilern: den Streitkräften, der „nationalrevolutionären Bewegung“ (MNR) des Ex-präsidenten Victor Paz Estenssoro und der „Falange Socialiste Boliviana“ (FSB) unter dem jetzigen Außenminister Mario Gutierrez.

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Als im August 1971 der .damals „ultrarechte“ Oberst Hugo Banzer den mit Moskau flirtenden General Juan Jose Torres stürzte, rätselte man, wer die Zusammensetzung des neuen Regimes manipuliert habe. Es ruhte auf drei Pfeilern: den Streitkräften, der „nationalrevolutionären Bewegung“ (MNR) des Ex-präsidenten Victor Paz Estenssoro und der „Falange Socialiste Boliviana“ (FSB) unter dem jetzigen Außenminister Mario Gutierrez.

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Nun hatte im Jahre 1952 der MNR mit den Milizen der Minenarbeiter und der Bauern das „Heer der Oligarchie“ gestürzt; zehn Jahre später hatte das „neue Heer“, das unter den Fittichen des MNR aufgewachsen war, seinerseits den MNR entthront. Kurz, die Beziehungen zwischen Heer und MNR waren alles andere als freundschaftlich. Noch weit größer war die chronische Spannung zwischen dem populistischen MNR und der eindeutig faschistischen FSB. Es liegt auf der Hand, daß so heterogene Elemente nicht ohne Einfluß von außen zusammenfanden. An dem Sturz von Torres, dessen Regime man als „kommunistische Gefahr“ empfand, waren die brasilianischen Offiziere ebenso interessiert wie die CIA. Doch wenn man von Enthüllungen über brasilianische Waffenlieferungen und beachtliche Geldzuwendungen zum Kauf putschender Offiziere absieht, sind die Drahtzieher weitgehend im Dunkeln geblieben. Bei dieser Situation ist es erstaunlich, daß Banzer den einjährigen Geburtstag seines Regimes feiern kann, obwohl in diesem Jahr kein Monat vergangen ist, in dem nicht ein Gegenputsch angekündigt wurde. Dabei stehen die Machtkämpfe innerhalb der Offiziersclique im Vordergrund. Die sogenannte „Revolution“, mit der Banzer paradoxerweise behauptet, das Chaos und die Anarchie, die unter seinem Vorgänger geherrscht hätten, in eine Atmosphäre des Friedens und der Ordnung verwandelt zu haben, wurde nur möglich, weil der damalige Kommandant des Heeres, Luis Antonio Requeterän, überging. Als er im Februar 1972 ausgewiesen wurde, enthüllte er in Buenos Aires Einzelheiten über die brasilianischen

Bolivianischer Staatschef Banzer: Jeden Monat Gegenputsch

Photo: Votava

Waffenlieferungen für die Revolutionäre und verteidigte sich gegen den Vorwurf, die von der Bundesregierung für die Befreiung der von Guerrilleros in Teoponte entführten beiden deutschen Techniker bezahlten 230.000 Dollar unterschlagen zu haben. (Er behauptete, sie hauptsächlich für den Bau von Offizierswohnungen ausgegeben zu haben, bestritt also nicht, daß der Betrag — zweckentfremdet — keineswegs den Guerrilleros zugeführt wurde.) Den Hauptkrach des Jahres hatte Banzer mit dem Oberst Andres Seiich. Dieser befehligte die Rangertruppen in Santa Cruz und hatte in dieser Eigenschaft den Kampf gegen Che Guevara geleitet. Er wurde der Innenminister des Banzer-Regimes und zeichnete sich durch die Grausamkeit aus, mit der er alle wirklichen oder angeblichen Linken als Kommunisten verfolgte, weit über 1000 „politische Gegner“ verhaften und zum Teil in einem Konzentrationslager im Urwald internieren ließ.

Ob die Empörung über diese Maßnahmen, die vor allem von der Kirche bekämpft wurden, ihn diskreditierten, oder ob Banzer ihn als Rivalen fürchtete — auf jeden Fall stellte er ihn als Botschafter in Paraguay kalt. Banzer behauptete, Seiich haben von Asunciön aus gegen ihn konspiriert, was dieser bestritt. Jedenfalls wurde er auch als Diplomat abgesetzt und auf Grund seiner „subversiven Kritik'“ für den Fall seiner Rückkehr mit einem Militärstrafverfahren bedroht, so daß er es vorzog, in der Emigration zu bleiben. Die Rolle des Macchiavelli von La Paz scheint dem jetzigen Oberkommandeur, Joaquin Zenteno Anaya zugefallen zu sein, dem es gelang, innerhalb weniger Monate seine beiden Vorgänger — die Generäle Remberto Iriarte, jetzt Botschafter in Rom, und Federico Arana Serrudo — auszubooten. Zenteno gilt

Länder einen Teil ihrer Souveränität als Hauptakteur der Intrigen, mit denen Banzer von der Macht gejagt werden soll. Die Spatzen pfeifen von den chilenischen Dächern, daß er Verhandlungen mit den linken Emigranten aufgenommen hat, die sich in Santiago de Chile zu der sogenannten „antiimperialistischen Revolutionsfront“ zusammenschlössen.

Es scheint, daß Banzer ihnen das Wasser abgraben will; in seinen letzten Erklärungen wendet er sich gleichzeitig gegen den „infantilen Linksradikalismus“ und — man staunte in ganz Lateinamerika — gegen die „reaktionäre Rechte“. Außerdem entließ er einen großen Teil der politischen Gefangenen.

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