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Offiziere unter sich

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Vulkane, Kaffee, Bananen, politische Morde und Diktaturen sind typisch für einen der schönsten und unglücklichsten lateinamerikanischen Staaten: die mittelamerikanische Republik Guatemala. Von den fünfeinhalb Millionen Bewohnern sind über 80 Prozent analphabetische Indios und Mestizen; kaum über 10 Prozent der Bevölkerung werden an den Wahlen teilnehmen, die am 3. März für Präsidentschaft, Parlament und Stadtverwaltung angesetzt sind.

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Vulkane, Kaffee, Bananen, politische Morde und Diktaturen sind typisch für einen der schönsten und unglücklichsten lateinamerikanischen Staaten: die mittelamerikanische Republik Guatemala. Von den fünfeinhalb Millionen Bewohnern sind über 80 Prozent analphabetische Indios und Mestizen; kaum über 10 Prozent der Bevölkerung werden an den Wahlen teilnehmen, die am 3. März für Präsidentschaft, Parlament und Stadtverwaltung angesetzt sind.

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Die Geschichte Guatemalas ist mit zwei Namen verbunden: der „United Fruit Company“, die den Staat wie eine Filiale ausbeutet, und dem des Obersten Jacobo Arbenz, des prokommunistischen Präsidenten. Als dieser arbeitnehmerfreundliche Sozialgesetze einführte und vor allem eine große Agrarreform begann, manipulierte US-Außenminister Foster Dulles die „Organisation amerikanischer Staaten“ gegen den „Präsidenten der roten Bananen“ und organisierte durch die CIA vor zwanzig Jahren das Expeditionskorps des Obersten Carlos Castillo Armas, der sich zum Präsidenten machte, bis er ermordet wurde. Seitdem hat es nur für kurze Zeit Ruhe in Guatemala gegeben.

Marco Antonio Yon Sosa war als Leutnant der Guatemalaarmee im „Fort Gulick“, dem Spezialaushü-dungslager des nordamerikanischen Heeres in der Zone des Panamakanals, zum Antiguerillakamipf ausgebildet worden und eignete sich dadurch besonders für die Rolle des Kommandanten der „revolutionären Streitkräfte“ und alst Führer der „Revolutionsbewegung 13. November“.

Nur in Guatemala bestanden ländliche und städtische Guerillagruppen gleichzeitig. Die Zahl der politischen Morde wurde vor einigen Jahren — wahrscheinlich übertrieben — mit jährlich 2000 angegeben; aber 1967 wurden „offiziell“ 107 Tote in sechs Monaten und im Jänner 1968 26 Morde im Verlauf von zwei Wochen gemeldet. Die Weltöffentlichkeit horchte auf,als 1970 der deutsche Botschafter Karl von Spreti von einer Links-guerdllagruppe ermordet wurde. Im Kampf gegen die Guerillas wurde der Oberst Carlos Arana berühmt, der bei einer „Reinigungsaktion'“ einige tausend unbeteiligte Bauern mit-umbrachte und deshalb von der Linken „der Schlächter von Zapaca“ genannt wurde. Dieser ultrarechte Offizier wurde vor vier Jahren zum Präsidenten gewählt. Die Guerillas sind weitgehend eliminiert, aber politische Morde, Entführungen und Verhaftungen gehören jetzt wieder zum Alltag. Arana warf ausgerechnet der christdemokratischen Opposition und Universditätskreisen vor, für die schwierige Situation verantwortlich zu sein, und behauptete, daß sie trotz der intensiven Entwicklungsarbeit der Regierung versuchten, „Guatemala in ein weiteres Land ohne Gott, ohne Kirche, ohne Freiheit und ohne Privateigentum zu verwandeln“.

Es ist bezeichnend, daß die drei Kandidaten zu den Wahlen vom 3. März Offiziere sind. Die Regierungskoalition, die aus den rechten Gruppen „Movimiento de Libera-ciön Nacional“ („MLN“) — „Bewegung zur nationalen Befreiung“ und dem „Partido Institucional Democrätdco („PID“) — „Demokratische verfassungsmäßige Partei“ besteht, hat den Brigadegeneral Eugenio Laugerud Garcia aufgestellt. Die „Nationale Oppositionsfront“, gebildet aus der „Democracia Cristiana Guatemalteca („DCG“) — „Guatemaltekische Christdemokratie“ und dem „Partido Revolucionario“ („PR“) — „Revolutionspartei“, betreibt die Kandidatur des Generals Efrain Rio Montt. Als dritter liegt ein anderer Oppositionskandidat im Rennen, der Oberst Ernesto Pais No-vales. Seine Chancen sind schwer zu übersehen, weil sechs weiteren Parteikomitees die beantragte Einschreibung in das Wahlregister versagt wurde.

Zehn Kandidaten sind auch für den Posten des Oberbürgermeisters der Stadt Guatemala genannt. Der Interessanteste ist der Priester Jose Maria Ruiz Furlan — bekannt als „Padre Chemita“. Er hat im offenen Aufstand gegen den Erzbischof Kardinal Monsignore Mario Casariego vor kurzem in einem der Armenviertel am Rande der Hauptstadt eine .Kathedrale der Dritten Welt“ eingesegnet und gilt als einer der führenden revolutionären Priester des Kontinents. Sein Konflikt ist typisch für die Spannungen, die in vielen Ländern Lateinamerikas zwischen dem offiziellen Klerus und den „Priestern der Dritten Welt“ besteht.

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