Der guatemaltekische Bischof Alvaro Leonel Ramazzini Imeri sprach mit der furche über das Mordkomplott gegen ihn, seinen Widerstand gegen eine Goldmine und warum er denkt, dass die neue Regierung in Guatemala bisher kläglich versagt hat.
Die Furche: Sie werden von drei Leibwächtern begleitet, seit ein Mordkomplott gegen Sie aufgedeckt wurde. Was ist der Hintergrund?
Alvaro Ramazzini: Ich glaube, das hat damit zu tun, dass ich den Widerstand zweier indianischer Gemeinden gegen ein Goldbergwerk unterstütze. Nach einer Protestaktion im Jänner, bei der ein indianischer Bauer ums Leben kam, beschuldigte mich der Präsident von Guatemala, Oscar Berger, die Leute aufzuwiegeln. Indianische Organisationen in Sololá blockierten die Landstraße, um den Transport einer Maschine nach San Marcos zu verhindern. Sie solidarisierten sich mit den indianischen Gemeinden in San Marcos, wo das Gold abgebaut werden soll.
Die Furche: Was ist dann passiert?
Ramazzini: Der Transport wurde von 700 Polizisten und 300 Soldaten eskortiert. Die Leute wollten sie nicht durchlassen, haben einige Fahrzeuge in Brand gesteckt und Steine geworfen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Am Ende wurde die Straße geräumt und ein Bauer war tot. In den Medien wurde dann die Nachricht verbreitet, die Bauern seien mit Kalaschnikows bewaffnet gewesen. So etwas wird immer behauptet, wenn bei zivilen Protesten Blut fließt.
Die Furche: Wieso wurden Sie mit dieser Aktion in Verbindung gebracht?
Ramazzini: Wahrscheinlich weil ich den Widerstand gegen die Mine unterstütze. Die Bürgermeisterin von Sololá rief mich damals während der Protestaktion an. Sie suchte meinen Rat, weil die indianischen Organisationen nicht von der Straße weichen wollten. Also versuchte ich den Präsidenten zu erreichen, damit er den Transport zurückpfeift. Aber ich kam nur bis zum Sekretär. Der glaubte wahrscheinlich, ich sei selbst in Sololá. Wenige Tage später habe ich dann von Kardinal Erzbischof Quezada Toruño vom Mordkomplott gegen mich erfahren. Ein Mann hatte sich gestellt. Er gab an, man habe ihm 50.000 Dollar für den Job versprochen.
Die Furche: Wer steckt dahinter?
Ramazzini: Ich weiß nicht, ob es ehemalige Militärs, Großgrundbesitzer oder sonst wer ist. Ich hoffe, die Ermittlungen finden das heraus.
Die Furche: Der Anlassfall für den Konflikt liegt in Ihrer Diözese San Marcos, wo demnächst Gold abgebaut werden soll. Warum gibt es dagegen so viel Widerstand?
Rtz: Ende dieses Jahres will die Bergbaugesellschaft Marlin, die zu dem kanadischen Mutterhaus Glamis Gold Ltd. gehört, mit dem Goldabbau beginnen. Betroffen sind die indianischen Gemeinden San Miguel Ixtahuacán und Sipacapa. Sie wehren sich, weil der Tagebau äußerst schädliche Auswirkungen auf die Umwelt hat. Allein der Zyanideinsatz gefährdet das Wasser in hohem Maße. Wasser ist dort ohnehin knapp und die Mine wird viel verbrauchen.
Die Furche: Offenbar ist aber ein Teil der Bevölkerung für das Projekt.
Ramazzini: Jene, die in der Mine Arbeit bekommen oder ihr Land verkauft haben, sind dafür. Andere, die besser informiert sind, sind dagegen. Das schafft soziale Spannung. Im September hat das Büro für strategische Analysen, eine Art ziviler Geheimdienst, den Präsidenten vor sozialen Spannungen infolge von Bergbauaktivitäten gewarnt. Der hat darauf aber nicht reagiert.
Die Furche: Was verspricht sich die Regierung von so einem Projekt?
Ramazzini: Sie stellt es so dar, als wäre der Goldabbau ein Mittel zur Armutsbekämpfung. Wirtschaftlich schaut für sie wenig dabei heraus. Sie bekommt Steuern, und Lizenzgebühren von einem Prozent. Davon geht die Hälfte an die Gemeinde. Aber dieses Prozent bezieht sich nur auf den deklarierten Reingewinn nach Abzug aller Unkosten. Wasser wird gratis zur Verfügung gestellt. Der Konzern rechnet mit Gewinnen bis zu 1,1 Milliarden us-Dollar in zehn Jahren. Dann soll die Mine geschlossen werden.
Argumentiert wird auch mit Arbeitsplätzen. Für die ersten zwei Jahre wurden wurden 1500 Arbeitsplätze zugesagt. Derzeit zahlen die Betreiber umgerechnet rund sechs Euro täglich, kein schlechtes Einkommen für Guatemala. Für die Leute ist das ein starkes Argument. Und es ist nicht leicht, sie zu überzeugen, dass die zu erwartenden Schäden in keinem Verhältnis zu den Vorteilen stehen.
Die Furche: Acht Jahre Frieden nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg haben also nicht allen etwas gebracht.
Ramazzini: Es ist heute sogar schlimmer als während des bewaffneten Konflikts. Damals wussten wir, es gibt einen brutalen Krieg, in dem Leute spurlos verschwinden, ermordet werden oder in Gefechten sterben. Jetzt gibt es keinen bewaffneten Konflikt mehr, aber viele Gewaltverbrechen: immer mehr Morde, die nicht aufgeklärt werden. Die Armut steigt, etwa 80 Prozent der Bevölkerung sind betroffen, sie essen zweimal täglich trockene Tortillas mit Salz und Kaffee und haben keine sichere Arbeit. Und die Aktivisten von sozialen Organisationen werden verfolgt.
Die Furche: Dass bei den letzten Wahlen die Republikanische Front des ehemaligen Diktators Ríos Montt abgewählt wurde, hat man im Ausland mit Erleichterung aufgenommen. Ist denn die neue Regierung besser?
Ramazzini: Sie hat kein Konzept. Die Bischofskonferenz hat darauf aufmerksam gemacht, dass kein nationaler Entwicklungsplan mit klar definierten Etappen existiert. Wir kämpfen mit denselben Problemen wie immer: Straflosigkeit, langsame und ineffiziente Justiz, zu wenig Augenmerk auf Gesundheit und Bildung. Die Regierung verfolgt den Kurs einer Militarisierung: Sie unterdrückt Proteste, statt auf Kritik zu hören. Nehmen wir die 700 Polizisten, die aufgeboten wurden, um den Bergwerkstransport zu begleiten. In Tecún Uman, wo ich lebe, haben wir gerade ein Dutzend Polizisten, obwohl dort der Drogenhandel blüht. Die Nationalpolizei ist unter der vergangenen Regierung schrecklich korrupt geworden. Gewalttäter, Drogenhändler, das organisierte Verbrechen werden nicht mehr verfolgt. Und drängende Probleme wie die Steuerreform oder die ungerechte Verteilung des Landes werden nicht angegangen. Vielleicht gibt es gute Absichten, aber die sind in der Praxis nicht zu sehen.
Das Gespräch führte Ralf Leonhard.
Engagiert für Minderheiten
Bischof Alvaro Leonel Ramazzini Imeri wurde 1947 in Guatemala Stadt geboren.
Er studierte Kanonisches Recht und leitete
einige Jahre das nationale Priesterseminar.
Bevor er vor 16 Jahren als Bischof in die
Diözese San Marcos in der Grenzregion zu Mexiko berufen wurde, fungierte er als Pfarrer der indianischen Gemeinde San Juan
Sacatepéquez. Er ist ein entschiedener Gegner des zentralamerikanischen Freihandelsvertrages mit den usa, der nur Exporteuren nütze, aber den Kleinbauern schade.
Sein Engagement für die indianischen Rechte und für die Lösung der Landprobleme wird
seit vielen Jahren von österreichischen
Organisationen wie Dreikönigsaktion,
Horizont3000 und Welthaus Graz
unterstützt. Am 22. Februar erhielt er
den Konrad-Lorenz-Preis des
Umweltministeriums.