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Schranken auf, wenn der Zug kommt?

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Die Anschaffung schwedischer ASEA-Thyristorenlokomotiven durch die österreichischen Bundesbahnen tritt immer mehr in ein „schiefes Licht": Nicht nur, daß mit der Bestellung die österreichische Industrie vor den Kopf gestoßen wurde, wie „Die Furche" in ihrer letzten Nummer berichtete, haben auch Bundesbahnexperten schwere Bedenken gegen den „Schwedenimport".

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Die Anschaffung schwedischer ASEA-Thyristorenlokomotiven durch die österreichischen Bundesbahnen tritt immer mehr in ein „schiefes Licht": Nicht nur, daß mit der Bestellung die österreichische Industrie vor den Kopf gestoßen wurde, wie „Die Furche" in ihrer letzten Nummer berichtete, haben auch Bundesbahnexperten schwere Bedenken gegen den „Schwedenimport".

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ÖBB-Generaldirektor-Stellvertreter DipL-Ing. „Pepi" Dultinger nennt es eine Weichenstellung. Experten urteilen vorsichtiger: Die Bundesbahnen wollen ihren gesamten E-Lok-Parfc auf Thyirastorenloko-motiven umstellen. Deshalb also wurden im Ausland einstweilen vier solcher Lokomotiven bestellt, von denen eine einzige von den ÖBB im Herbst des Vorjahres in Österreich getestet worden war. „Hauptgründe für die Bestellunig sind, daß wir aus technischen Gründen auf Thyri-storenlokomotiven umsteigen wollen" — solche Loks unterscheiden sich von anderen, da sie stufenlos regelbar sinä — „und wir sie nisiko-los einsetzen können", motivierte ÖBB-Vizegeneral Dultinger den Schritt des Vorstandes. Risikolos? Die Testfahrten auf ösiter-reichisciien Strecicen haiben ungünstige Einwirkungen auf die Siche-rungsanlagen ergeben. Bahnschranken waren nahe daran, vor dem Zug wneder aufzugehen, Signal-und Warnanlagen drohten ebenso zu versagen.

Langsam über den Semmering

Mit den vier „Ansichtsexemplaren" will man durch einen „massierten Betrieb" die Lokomotive und ihre „Umweltbeeinflussung" — wie die Bundesbahn das Sicherheitsirisiko nennt — „exaikt kennenlernen". Vorsicht beim Überqueren eines oiTenen Bahnschrankens wird also in jedem Fall geboten sein.

Schon 1975 sollen hundert derar-

tige Lokomotiven vor österreichische Züge gespannt werden. Zu diesem Zeitpunkt rechnet man audi mit generell 140 Stundenkilometern Höchstgeschwindigkeit bei den Bundesbahnen. Doch leider „schafft" die von Dultinger ins Auge gefaßte Schwedeniok. nur 135 Stunrieokilc?--meter. ,.Sie ist eine Berglokomotive", versuchtDf. Dultiager dieses Manko zu entschuldigen, „und wird auf den Tauem, am Arlberg oder Sernmaring eingesetzt werden." Zusätzlich soll dann eine „Tallok" mit 160 Stundenkilometern Spitzengeschwincügkeit angeschafft werden. Doch auch mit dieser Meinung gehen die Fachleute nicht konform: Auf der Südbahnstrecke zum Beispiel gibt es außer dem Semmering keine echte Bergstrecke. Und nur deshalb die Züge langsamer zu führen, ,4st nicht einzusehen". Somit scheint die Weichenstellung ein fragwürdiges Experiment zu werden. In gut informierten Kreisen bei den Bundesbahnen munkelt man, daß die ASEA-Lok-Bestellung auf einen Einfall des scjziaJi&tischen Generaldirektorstellvertreters Dultinger zurückzuführen ist. Doch hütet man sich auszusprechen, welche Hintergründe eigentlich dafür ausschlaggebend waren. Dultinger, so sagt man, sei Baudngendeur und verstehe vom Fahrzeugpark weniger. Daß er sidi so vehement für einen Loktyp einsetzt, läßt bis letzt nur innerhalb der ÖBB-General’direktim weitere Kombinationen zu.

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