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„Arbeitsplatzsicherung nur nadi Leistungsfähigkeit“

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FURCHE: Die Osterreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben die Absicht, Elektrolokomotiven von der schwedisdien Firma ASEA zu kaufen. Gleichzeitig bemüht sich nach wie vor dasselbe schwedische Unternehmen, nämlich die ASEA-Atom, den Bauauftrag für das erste österreichische Kernkraftwerk in Zwentendorf zu erhalten. In beiden Fällen haben österreichische Firmen Konkurrenzangebote erstellt.

FRÜHBAUER: Soweit es die ÖBB betrifft, ist festzustellen, daß die Bestellung von vier Thyristor-Lokomotiven getätigt wurde. Zuvor führten Vorstand und Präsidium des Verwaltungsrates ein ausführliches Gesprädi mit den Vertretern der österreichisdien Elektroflrmen und konnten dort klarstellen, daß es bei dieser Bestellung nunmehr darum geht, diese Lok-Art auf den Strecken der ÖBB zu erproben. Gleichzeitig mit der Erprobung haben diese vier zusätzlichen Lokomotiven den Vorteil, den akuten Lok-Mangel der ÖBB etwas zu verringern. Die österreichisdien Firmen sind bei dem Gespräch eingeladen worden, ebenfalls Thyrisitor-Loks zu entwickeln, wobei die ÖBB für die künftige Großserie natürlich eine Aussdireibung an alle Firmen machen wird. Diese Ausschreibung wird drei Varianten halben: eine Tal-, eine Berg- und edne Universallokomotive. Die Entscheidung wird dann auf Grund der Erfahrungsergebnisse der Versuche und auf Grund der Kostpnvoranischläge der einzelnen Firmeh’zu’ treffen sefiiJ""

FURCHE: Aber solche Varianten waren, weil wir Berge und Täler haben, nie üblich. Die österreichische Elektroindustrie meint also, daß diese Ausschreibung genau auf das bei ASEA schon vorhandene Typenprogramm zugeschnitten ist: nämlich auf die Typen Rc 2, Rc 3 und Rc4… FRÜHBAUER: Nach meinen Erfahrungen und Gesprächen, die ich geführt hat«, ist eine solche Präzisierung wie die Zuschneidung der Ausschreibung auf diese sdiwedischen Typen nicht riditig. Ich persönlich neige mehr zu der Auffassung, daß unsere Situation in österreidi wegen der engen Verbindung im Verkehr zur deutschen BundesrepuWik besonders im Hinblick auf den Lok-Langlauf stärker zur Universal-Lokomotive drängen wird. Die ÖBB wird dies auch in ihren Ausschreibungen außer Zweifel berücksichtigen.

FURCHE: Aber was sind überhaupt die Gründe, warum nicht prinzipiell österreichische Unternehmen bei Bundesaufträgen Vorrang genießen?

FRÜHBAUER: Bezüglich der ÖBB schreibt das Bundesbahngesetz im Absatz 2 des § 2 eine kaufmännische Betriebsführung vor, so daß diese Verpflichtung aur Wirtsdiafitlichkeit ein Ausschauhalten nach den igünstigsten Angeboten erfordert. Gemäß Absatz 3 des gleichen Paragraphen ist auf andere Interessen als jene der ÖBB nur nadi Maßgabe besonderer Biundesgesetze Rücksicht zu nehmen. Nachdem bisher auch hinsichtlich der Entwicklungen naturgemäß die ÖBB .verhältnismäßig hohe Kosten erbringen müßten, ist es vom Standpunkt der ÖBB aus auch zweckmäßig, etwas Erprobtes zu kaufen. Wobei, was ich besonders betonen möchte, auch bei einem solchen Kauf die Beschäftigung der österreichischen Industrie zu 85 Prozent durch Lizenznahmen möglich ist.

FURCHE: Lizenzen kosten Geld. Und bei den österreichischen Firmen, die im Fälle einer Heranziehung der sdiwedischen ASEA betroffen sind, handelt es sich um verstaatlichte Unternehmungen mit wirtschaftlichen Sorgen. Bedeutet Ihre Vergabepolitik eine Änderung der Haltung der SPÖ zur verstaatlichten Industrie? Durch Vergäbe von Großaufträgen ins Ausland, gefährdet man doch einheimische Arbeitsplätze, was insbesondere für die schon seit Jahren mit Schwierigkeiten kämpfende Elin zutrifft!

FRÜHBAUER: Dieses Problem hat mit der Haltung der SPÖ zur verstaatlichten Industrie überhaupt nichts zu tun, wie ich auch Ihre Auffassung hinsichtlich einer Gefahrdung österreichischer Arbeitsplätze nicht teilen kann. Wie schon ausigefuhrt, werden bis zu 85 Prozent der Aufträge auf Grund des Erwerbs von Lizenzen in Österreich gefertigt werden. Außerdem gibt es eine kooperative Wirtschaftspolitik — wie es auch den Grundsätzen des EFTA-Vertrages entspricht — und — was selbstverständlich ijei einem Naheverhältnis zur EWG in noch stärkerem Ausmaß berücksichtigt werden muß — damiit auch für die österreichische Industrie immer wieder Möglidikeiten, andere Aufträge aus diesen Ländern zu bekommen, wie zum Beispiel eine Lieferung von Drehgestellen nadi Schweden durch die SGP in Aussicht gestellt ist. FURCHE: Fürchten Sie als Mit. glied einer sozialistischen Regierung nicht eine Intervention des 0GB, der am Verlust von Arbeitsplätzen österreichischer Arbeiter in österreichischen Firmen nicht interessiert sein kann?

FRÜHBAUER: Nachdem wir ständig im Gesprädi mit dem ÖGB sind und ddi seilest Gewerk-schaftsfunlctionär bin, finde ich den Ausdruck „Fürchten" völlig unpassend. Bei uns gibt es eine ständige echte Diskussion und natürlich das Bestreben, die Arbeitsplätze in der österreichisdien Industrie zu sichern. Diese Sidie-rung kann natürlich nur in dem Maße gewährleistet sein, als sich auch die österreichische Industrie in ihrer Leistungsfähigkeit und im technischen Fortsdiritt den Bedürfnissen der Auftraggeber anpaßt.

Mit Minister Frühbauer sprach

„Furche"-Redaktionsmitglied Winfried Eder.

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