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Schwedische Geschenke?

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Es galt als geheiligtes österreichisches Tabu, bei Großaufträgen des Bundes oder von Bundesunternehmen die einheimische Wirtschaft stets weitestgehend zu berücksichtigen. Besonders die SPÖ und der ÖGB liefen stets dagegen Sturm, wenn Aufträge ins Ausland wandern sollten und damit Arbeitsplätze gefährdet waren. Das gilt jedoch anscheinend nicht mehr. Konkret: Es geht um Aufträge an schwedische Unternehmen durch die derzeitige Bundesregierung.

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Es galt als geheiligtes österreichisches Tabu, bei Großaufträgen des Bundes oder von Bundesunternehmen die einheimische Wirtschaft stets weitestgehend zu berücksichtigen. Besonders die SPÖ und der ÖGB liefen stets dagegen Sturm, wenn Aufträge ins Ausland wandern sollten und damit Arbeitsplätze gefährdet waren. Das gilt jedoch anscheinend nicht mehr. Konkret: Es geht um Aufträge an schwedische Unternehmen durch die derzeitige Bundesregierung.

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Die Vorgeschichte ist kurz: so kurz wie die Dauer der SPÖ-Regierung.

• Im November 1970 beschloß der Vorstand der österreichischen Bundesbahnen, bei der schwedischen Firma ASEA vier sogenannte Thyristorlokomotiven Rc 2 zu bestellen. Die vier Loks kosten samt Umbaukosten 60 Millionen Schilling, öffentliche Ausschreibung ist keine erfolgt. • Seit 20 Jahren kaufen die ÖBB bei jenen inländischen Unternehmen, die bereits vor drei Jahren den Bundesbahnen die Einführung der- Thyristor-Lok vorgeschlagen hatten — allerdings nach Planung und Bau in Österreich.

• Nunmehr aber wollen die Bundesbahnen noch mehr Loks kaufen. Während bisher stets sogenannte Universallokomotiven (infolge des österreichischen Alpengeländes) gebraucht wurden, meint man jetzt, Berg-, Tal- und Universalloks ausschreiben zu müssen. Fatalerweise entspricht dies genau dem vorhandenen Typenprogramm der schwedischen ASEA — nämlich den Typen Rc 2, Rc 3 und Rc 4.

• Eine Ausschreibung an die Österreichische Industrie ist bis heute nicht erfolgt. Angeblich soll diese erst im Sommer 1971 erfolgen. In Anbetracht der langen Entwičklungs- und Lieferzeit erhält jedoch die ASEA durch die Verzögerung der Ausschreibung und die Typenwahl einen faktisch nicht mehr einholbaren Vorsprung.

• Während so gut wie nirgendwo auf dieser Welt derartig langfristige Geschäfte — und es handelt sich um etwa 300 Millionen Schilling — unter Umgehung der einheimischen Industrie abgeschlossen werden, würde die österreichische Elektroindustrie dadurch schwerstens geschädigt werden. Dabei ist sie durchaus leistungsfähig und hat auch bisher die Bundesbahnen bedient.

ASEA — in Zwentendorf

Nun wäre die Einschaltung der schwedischen ASEA nicht so aufregend, stünde dieselbe Firma nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem anderen österreichischen Großprojekt:

Nämlich mit der Ausschreibung für den Bau des Atomkraftwerkes Zwentendorf im Tullnerfeld, wo die ASEA-Atom mit dem preislich günstigsten Angebot auf den Plan trat, dann jedoch nach einigem Tauziehen hinter den Kulissen doch nicht als Bestbieter anerkannt wurde, da der ASEA zu geringe Erfahrung auf diesem Sektor nachgewiesen wurde. Interessanterweise entspricht nun die seitens der Verbundgesellschaft beabsichtigte Verschiebung des Baubeginnes, die wahrscheinlich eine Neuausschreibung des Projektes zur Folge hätte, genau dem Zeitraum, nach dem die ASEA die nötigen Re ferenzaufträge vorzulegen imstande sein wird, so daß der Bietgemeinschaft, der österreichischen Elin-Siemens, auch in diesem Fall die Aufträge weggenommen worden wären. Von dieser Warte aus ist auch der heftige Widerstand der Landesgesellschaften gegen die geplante Verschiebung zu verstehen, wobei auf der einen Seite die Zusage der ASEA an Bundeskanzler Kreisky steht, den Preis ihrerseits auch zwei Jahre aufrechtzuerhalten, anderseits Landeshauptmann Maurer darüber „nur lächeln kann, wenn man hört, der Bau könnte in zwei oder drei Jahren lukrativer sein als heute“.

ASEA in Linz

Zu alledem gesellt sich — man könnte an eine Nestroy-Posse denken — das Auftauchen der ASEA auch in Oberösterreich. Dort nämlich ist der Standort der als ehemaliges deutsches Eigentum zu 59 Prozent in Staatsbesitz befindlichen Elektro- Bau-AG, einem Unternehmen mit 1650 Beschäftigten und einem Umsatz von 410 Millionen Schilling.

Dem Vernehmen nach sollen nun die öffentlichen Verwalter am 15. Februar 1971 im Finanzministerium ein Kaufoffert vorgelegt haben, demzufolge die ASEA, Sitz in Schweden, das Werk der Republik Österreich abkaufen möchte. Angeblicher Kaufpreis: 30 Millionen Schilling.

Dabei sind bereits im Lauf der letzten Jahre die Unternehmen Elin- Union-AG, das Syndikat Elin, Oka, ESG, Brown-Boveri und Philips als Kaufinteressenten aufgetreten.

ASEA in Linz: das könnte, so meinen Wirtschaftsexperten, nicht mehr und nicht weniger bedeuten, als einen der schärfsten Konkurrenten auf dem Weltmarkt in dessen eigenem Land ausstechen: nämlich die dem österreichischen Staat gehörende Elin.

Dabei heißt es im sozialistischen Wirtschaftsprogramm, Punkt 77 ausdrücklich: „Die angestrebte Zusammenarbeit (der Elin) mit der Elek- tro-Bau AG in Linz ist ein Grundbeispiel für die- geforderte Zusammenfassung der Kräfte auf österreichischer Basis.“

Aber das gilt anschelnend nicht mehr.

Man sagt Bundeskanzler Kreisky gute Beziehungen zu schwedischen Politikern und Wirtschaftskapitänen nach. Der Zusammenhang im gegenständlichen Fall darf ausgeschlossen werden.

Aber im Kern muß man, in solchem Falle mit Seufzen, sogar der „Volksstimme“ recht geben, die meint, daß Kreiskys Beziehungen zu Schweden nicht schlecht sein dürfen — offenbar aber doch besser als Kreiskys Beziehung zur verstaatlichten Industrie Österreichs…

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