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Sin Treime Scheime?

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Im Ver-Sacrum-Zimmer der Wiener Secession ist augenblicklich eine Verkaufsausstellung von Graphiken des Schriftstellers Fritz von Herz-manovsky-Orlando zu sehen, dessen Zeichnungen und Aquarelle vom gleichen barock-skurrilen Humor durchdrungen sind wie seine Romane, Theaterstücke und Geschichten. Herzmanovsky, eine Doppelbegabung, wurde 1877 in Wien geboren, studierte zuerst an der Technischen Hochschule Architektur, bereiste dann die ehemalige Donaumonarchie, Griechenland und den Orient, um sich 1917 endgültig in Meran niederzulassen und dort seit 1920 nur noch seinen schriftstellerischen und graphischen Arbeiten zu leben, bis er 1954 starb.

In der kleinen Ausstellung sind 33 Blätter dieses kauzigen Phantasten zu sehen, die in der Erfindung nahezu alle köstlich sind, in der zeichnerischen Durchführung aber ungleich, wie vieles in der Produktion dieses liebenswerten, schreibenden und zeichnenden Dilettanten. Man findet hier zahlreiche Beispiele seines sowohl vorder- wie hintergründigen Humors, wenn etwa auf dem Blatt „Treime sin Scheime“ einem Erwachenden zwei Amoretten mit einem riesigen Beinschinken erscheinen oder zwei Bauern als Verkörperungen des Homo alpinus, der eine als plärrender Zitherspieler, auftauchen. Hintergründig, ja bedrohlich, wirken dagegen „Osterrit-ter, Tod und Theres“ oder das Blatt „Denkmal“, auf dem sich ein elegantes Paar einer nackten knieenden Frau mit Schwanz gegenübersieht, oder der „Traum mit sieben Jahren“, wo an einem heiteren Tag in eine Kinderidylle die Erscheinung des

Todes als Skelett hereinbricht. „Großmutters Geburtstag“, auf dem ein zarter Knabe der bejahrten Dame ein Ständchen durchs Hörrohr bringt, gehört dann schon wieder zu jenen liebenswürdig heiteren Zeichnungen, in denen Herzmanovsky sioh eine ganz eigene Welt geschaffen hat, in der, unter dem Taktstock des allgegenwärtigen Eros, Feen, Zauberer und Genien, Spießer, redende Büsten, allerlei Getier und verschrobene Helden ihre bizarren Reigen tanzen. Bei Arbeiten wie dem „Herrschaftlichen Kindermädchen“, den „Tsohandalasäulen“, der „Prinzessin“ und der romantischen abendlichen „Bootsfahrt“ erreichte die zeichnerische Durchführung auch die Höhe der Einfälle und zeitigte Blätter, die in ihrer Qualität etwa durchaus an James Ensor, den bedeutenden belgischen Maler und Graphiker, erinnern. In der Ausstellung wird dankenswerterweise auf die Verwandtschaft von Herzma-novskys graphischen Arbeiten mit Ensors Werk hingewiesen, wie man auch auf andere Ahnen oder Ähnliches bei Goya, Odilon, Redon und Kubin, französischen Karikaturisten der Jahrhundertwende, den Witzen der „Wiener Theaterzeitung“, bei Th. Th. Heine und Kubin verweist. Auch Graf Pocci, eine ähnliche Doppelbegabung des vorigen Jahrhunderts und A. P. Gütersloh würden dazugehören.

Die Preise in dieser Verkaufsausstellung sind durchaus angemessen. Sie bewegen sich zwischen 900 und 6800 Schilling, meist zwischen 1800 und 3000 Schilling. Auoh wenn man nichts kauft: ein Besuch, der sich lohnt.

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