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Steckdose als Kirche

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Claes Oldenburg gilt als einer der führenden Pop-Artisten der amerikanischen Kunst der sechziger Jahre und wurde vor allem durch seine „weichen“ oder riesigen Objekte aus verschiedenen Materialien — Stoff, Papiermache und Plastik — die Gegenstände der technologischen oder der Konsumwelt, wie Waschmuscheln, Telephone, Tortenstücke, Hamburgers usw., bunt bemalt ins Gigantische oder Groteske verzerrten und durch seine „Monumente“ — Alltagsobjekte ins Monumentale gesteigert als Denkmalsparodien gedacht — bekannt: Ein Schwedenstecker etwa wird zur Kathedrale ...

Das Museum des 20. Jahrhunderts im Schweizergarten zeigt derzeit eine umfangreiche Ausstellung seiner Zeichnungen, Aquarelle, Gouachen und Collagen, die Oldenburgs Entwicklung von 1953 bis 1974 aufzeigen. Sie bestätigt Oldenburg, der 1929 in Stockholm als Sohn eines schwedischen Diplomaten geboren wurde und in den Vereinigten Staaten aufwuchs, als einen ausgezeichneten und sehr lebendigen Zeichner,dessen Originalität in seinen Inhalten nicht in seiner zeichnerischen Form liegt. Die frühesten Arbeiten (seit 1953 entstanden, nachdem er in Yale englische Literatur und Kunst studiert hatte und in Chicago die verschiedensten Berufe ausübte) beweisen in Naturstudien ein sicheres Erfassen von optischen Gegebenheiten, in freien Gestaltungen einen von Klee beeinflußten Sinn für Groteskes und Ausdruck. In den zahlreichen Zeichnungen nach seiner Frau Pat und Landschaften erscheint er von Jugendstil, Fauvis-mus und Expressionismus beeinflußt, so sehr, daß man sich manche ohne weiteres in der ,3evue Blan-ohe“ vorstellen könnte. Von 1959 an, in den „Ray-Gun“-Serien, den Monotypien und Plakatentwürfen, vereinfacht und brutalisiert Oldenburg seine Zeichnung, verarbeitet Kinderzeichnungen und Dubufets und erreicht damit die Grenzen zum Tachismus. Die Zeichnungen von 1963 an, zum Teil jene zynisch ironischen Denkmalsentwürfe, die für Stockholm einen riesigen Mülleimerdeckel, für Washington eine Schere als Monumente oder einen schwedischen Doppelstecker als Kirche vorschlagen, sind locker, konkreter, und realistisch oder als Parodie einer technischen Entwurfszeichnung (wie das Mickey-Mouse-Museum) ausgeführt und unterstreichen die dadaistisch surrealistische Grundhaltung des eigentlichen Oldenburg, der, wenn auch zeichnerisch virtuos, so doch konventionell in der Form, moderne Architektur, abstrakte Plastik und Fetische der Konsumweit ironisiert und ins Absurde steigert und dabei mit seinen bildnerischen Metaphern oft über bloße Gags hinauswächst. Eine äußerst interessante, anregende und auch amüsante Ausstellung.

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