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Umbilden! Wen?

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Die ganze Bundesrepublik horcht dieser Tage gespannt nach Österreich hinein, als ob man es von dort knacken hörte, wenn der Osterhase ein buntes Uberraschungs-Ei aufs andere legt. In Wirklichkeit gilt die Aufmerksamkeit aber unserem Bundeskanzler, der in Bad Gastein nicht nur für seine knackige Figur fastet, sondern auch sein Räderwerk imGe- him knacken läßt.

Die Münchner Abendzeitung hatte am vergangenen Samstag die aufrüttelnde Schlagzeile „Sonn in Sorge: Kohl denkt nach“. Und JDer Spiegel“ kam am Montag mit dem Titel: „Zohl soll weg — aber wie?“

Nun sitzt unser gewichtiger Kanzler also bei Euch und denkt nach: Wer soll alles weg? Das Übergewicht? Der politische Kummerspeck nach einer Serie von Wahlschlappen? Dieser oder jener Minister? Der Bundeskanzler selbst? Oder nur der Parteivorsitzende der CDU? Kohl?

Helmut Kohl selbst kann jeden Tag lesen, wie sich andere Knacker seinen Kopf zerbrochen haben. Unermüdlich zerreden sich seine Partei- und Koalitionsfreunde den Mund bei Vorträgen, Interviews und öffentlichen Erklärungen, in denen sie zunächst alle anderen ermahnen, endlich dichter zu halten, nicht weiterhin die gute, aber leider unverstandene Politik dieser Regierung zu zerreden.

Anschließend denken alle laut darüber nach, ob es genügt, wenn Kohl nach den Osterferien sein Kabinett umbildet und nur den alten Dotter in neue Eierköpfe verpackt. Oder ob man nicht doch besser ihn selbst umbilden und eine andere Politik machen soll. Wir sind eben — ein Volk der Dichter und Denker.

Zum einen hat Kohl ziemlich freie Hand, weil bisher noch kein Minister genannt worden ist, auf dessen Verbleib im Kabinett irgend jemand außer dem Betreffenden selbst Wert legen würde. Zum anderen ist sein Spielraum aber dadurch eingeschränkt, daß alle drei Koalitionsparteien bereits bisher ihr letztes Aufgebot nominiert hatten.

Mit Anfängern aus der hintersten Reservebank wird er aber sein leckgeschlagenes Regierungsschiff auch nicht mehr in eineinhalb Jahren aus den politischen Untiefen manövrieren können. Und dasselbe würde etwa für einen neuen Kanzler aus der württembergischen Provinz gelten.

In dieser verfahrenen Situation tut es uns gut, Helmut Kohl in der Nähe seines Freundes Alois Mock zu wissen, der solche Probleme nicht kennt. In Österreich findet unser Kanzler nicht nur Wasser, Knäckebrot und Rohkost, sondern auch den Trost und Rat, den er hören will, nämlich: bleiben!

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