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Zweites Tessin?

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Vor etwa fünf Jahren hatte die Zweitwohnungs- und' Ferienhauswelle in Tirol ihren Höhepunkt erreicht. Damals, drohte ein Totalausverkauf des Landes. Zehntausende Ausländer, vor allem Bundesdeutsche, wollten in Tirol einen Grund, ein Haus oder eine Wohnung erwerben. Unter anderem lagen Ansuchen für den Bau von rund 20.000 Appartements vor. Tirol drohte ein zweiter Kanton Tessin zu werden, der sich heute zur Hälfte in ausländischem Besitz befindet Ja, es hätte sogar noch ärger kommen können. Vor allem die Deutschen hatten so viel — zum Großteil schwarzes Geld zur Verfügung, daß sie ganz Tirol hätten aufkaufen können.

Nun, die Tiroler setzten sich gerade noch rechtzeitig zur Wehr. Nachdem bereits 1966 einschränkende Bestimmungen über den Verkauf von Liegenschaften an Ausländer in das Landesgrundverkehrs-gesetz aufgenommen worden waren, verschärfte man dieses Rechtsinstrument 1973 durch eine Novelle noch wesentlich. Heute führt für einen kaufwütigen Ausländer kaum mehr ein Weg nach Tirol.

„Der Aktenanfall in unserem Amt ist in diesem Jahr deutlich zurückgegangen. Der Hauptgrund wird wohl die weltweite Wirtschaftskrise sein, daß das Interesse von Ausländern an einem Grundkauf in Tirol stark abflaute. Das novellierte Lan-desgrundverkehrsgesetz tut allerdings auch seine Wirkung. Jedenfalls haben wir seit 1971 kaum zehn Berufungsansuchen genehmigt.“ Diese Feststellungen traf Gerhard Liebl von der Landesgrundverkehrs-behörde.

Immerhin, 5 Prozent aller Liegenschaften in Tirol sind in ausländischem Besitz, das heißt, an die 5000 Ausländer — zu 85 Prozent Deutsche — besitzen in Tirol ein Grundstück, ein Haus oder eine Eigentumswohnung. Von den 940.000 Hektar besiedelbarem Grund und Boden sind rund 16.000 Hektar in fremder Hand. Folgende Gemeinden sind von einer Überfremdung besonders bedroht: Leutasch, Reith bei Seefeld, Scharnitz, Seefeld, Thiersee, Walchsee, Rettenschöß, Jochberg, Kirchberg, Oberndorf, Reith bei Kitz-bühel, St. Ullrich am Pillersee, Westendorf, Achental, Eben Achensee, Steinberg am Rofan, Ber-wang, Biberwier, Grän, Jungholz, Schattwald, Nesselwängle und Isels-berg in Osttirol. In diesen 23 Gemeinden liegt der Anteil der ausländischen Grundbesitzer über der 10-Prozent-Marke.

Das verbesserte Grundverkehrsgesetz macht sich bemerkbar. 1973 gingen noch 17 Hektar Tiroler Grund an ausländische Käufer über (davon zwölf Hektar an Deutsche), 1974 nur noch sechs Hektar (vier Hektar an Deutsche). Der Grundverkehr vollzieht sich nunmehr zunehmend zwischen Ausländern, also ein Ausländer verkauft an einen anderen Ausländer. Natürlich gibt es auch Tiroler, denen das strenge Gesetz nicht paßt. Für manchen Bauern war der Grundverkauf an Ausländer das große Geschäft. Jedoch „Grund zu verkaufen ist immer die schlechteste Agrarpolitik“, sagt Landesrat Parti, der jahrelang Vorsitzender der Grundverkehrsbehörde war.

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