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Grillparzer in Kyoto

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Es ist auch für einen weitgereisten und vielerfahrenen Gelehrten wie den amerikanischen Professor Doktor Arthur Burkhard von der Cambridge University, Massachusetts, gewiß nicht alltäglich, in Kyoto mit japanischen Germanisten Sukiyaki zu essen, von denen der eine sich auf Fritz Reuter spezialisiert, der andere ein profunder Grimmelshausen- Kenner ist, während ein dritter Grillparzers Novellen „Der arme Spielmann” und „Das Kloster von Sendomiir” ins Japanische übersetzt. Dies ist nur eine der vielen Facetten des Vortrags „Grillparzer im Ausland”, den Prof. Burkhard auf Einladung der Grillparzer-Gesellschaft im Vortragssaal der Nationalbibliothek hielt.

Der nunmehr 75jähirige vitale Mittelwestler, Enkel fränkischer Einwanderer, hat ja schon längst durch seine Arbeiten über Grillparzer und vor allem durch seine englischen Übersetzungen sämtlicher Dramen des Dichters in Österreich geistiges Heimatrecht. In seinem Vortrag gab er ein weitgespanntes und äußerst informatives Bild der Geltung Grillparzers jenseits der deutschen Sprachgrenzen. In Kalifornien, so berichtete er, fand er zufällig alte dänische und schwedische Übersetzungen, in Hawaii konnte er feststellen, daß englische Fassungen von „König Ottokars Glück und Ende” und „Ein Bruderzwist in Habsburg” zur Schullektüre gehören, in Tokio führte er Gespräche mit den Initiatoren einer neugegründeten japanischen Grillparzer-Gesellschaft. Er zitierte Lord Byron, der sich für Guido Sorellis italienische Übersetzung der „Sappho” begeisterte, wenngleich ihm der Name des Autors „verteufelt schwer auszusprechen” schien. In Griechenland findet Grillparzers dichterisches Hellenentum viel Beachtung, während in der Tschechoslowakei und in Ungarn seit 25 Jahren weder die „Libussa” noch der „Treue Ddener seines Herrn” oder irgendein anderes Grillparzer-Drama aufgeführt wurde.

An einer Stelle aus „Der Traum ein Leben” demonstrierte Professor Burkhard die Schwierigkeiten von originalgetreuem sprachlichem Ausdruck und Metrum, die sich namentlich bei der Übertragung ins Französische ergeben und nicht selten zu Verfälschungen führen. Der Kommentar des Vortragenden: „Manche Wendungen klingen so, als spräche nicht der Feuergeist Rustan, sondern ein Bankdirektor.” Abschließend würdigte Prof. Burkhard die französische Übersetzung von „Der Traum ein Leben” durch Dr. Richard Peter, den ehemaligen österreichischen Kulturattachė in Brüssel.

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