Gaillot - © APA / AFP / Joël Saget

Jacques Gaillot: Hirte für die ungeliebten Schafe

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Jacques Gaillot (1935-2023), von Johannes Paul II. abgesetzer Bischof von Évreux, Kämpfer für die Armen und Flüchtlinge.

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Jacques Gaillot (1935-2023), von Johannes Paul II. abgesetzer Bischof von Évreux, Kämpfer für die Armen und Flüchtlinge.

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Wenn es eine Personifikation für die kirchenpolitischen Unterschiede zwischen den Pontifikaten von Johannes Paul II. und Franziskus gibt, dann steht ganz gewiss Jacques Gaillot dafür. Der französische Bischof wurde vom polnischen Pontifex als Leiter der Diözese Évreux abgesetzt. Das war 1995. 2015 lud ihn Papst Franziskus zu sich ein, was nicht nur ­Gaillot als Rehabilitierung verstand, auch wenn der damals ­bereits 80-Jährige keine offizielle Kirchenfunktion mehr übernehmen sollte.

Aus dem Algerienkrieg, an dem er 1957–59 teilgenommen hatte, kehrte Gaillot als überzeugter Gewalt­loser zurück. Er studierte danach Theologie, wurde 1961 Priester und 1982 Bischof im nordfranzösischen ­Évreux. Dort machte er sich von Anfang an bei den – kirchlich wie politisch – Konservativen unbeliebt: Er trat für Wehrdienstverweigerung und Abrüstung ein und engagierte sich auch öffentlich dafür. Vermutlich als erster katholischer Bischof segnete er 1988 ein schwules Paar, im selben Jahr votierte er in der französischen Bischofskonferenz für eine Aufhebung des Pflichtzölibats für Priester. Aber vor allem sein Widerstand gegen die sozial unverträgliche Politik der französischen Regierung, insbesondere in der Migrantenfrage, bei der er sich mit dem damaligen Innenminister Charles Pasqua anlegte, führte zu Gaillots Absetzung durch Rom.
Allerdings ließ sich Gaillot danach weder zu einer ­Abkehr von seinen politischen Idealen noch zu verbitterter Kritik am Papst hinreißen – auch in FURCHE-Interviews trat er als sanftmütiger, aber politisch bestimmter Zeitgenosse entgegen.

Das Bischofsamt ließ ihm Johannes Paul II., als Hirte ohne Land (man wies ihm die untergegangene Diözese Partenia in Nordafrika als nominelles Bistum zu) wurde Gaillot im Internet kreativ: Bis 2010, also bis er die 75-Jahre-Altersgrenze für amtierende Bischöfe erreichte, betrieb Gaillot Seelsorge in der virtuellen Diözese www.partenia.org auf seine Weise. Und er meldete sich dort weiterhin zu politischen Themen, aber auch den kirchlichen heißen Eisen – Zölibat, Empfängnisverhütung, Homosexualität – zu Wort.

Der Bischof selbst lebte in Paris, wo er sich sozial ­engagierte – konkret für die Sans Papiers, also Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung, für Arbeitslose und für Obdachlose. Jacques Gaillot ist am 12. April in Paris 87-jährig verstorben.

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