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Das Bensberger Memorandum

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In Österreich ist wohl nicht zuletzt deshalb, weil die Zahl der evangelischen Christen hier absolut und relativ gering ist und weil der Österreicher sich in seinem Haus in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 wohl geborgen weiß, diiie Denkschrift der Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkets zu seinen östlicher Nachbarn“, Hannover 1965, ziemlich unbemerkt geblieben und auch kaum diskutiert worden. In der Bundesrepublik Deutschland hat die Denkschrift heftige Kontroversen ausgelöst. Der Widerspruch richtete sich im wesentlichen dagegen, daß die „EKD-Denkschrift“ die endgültige Versöhnung des deutschen Volkes mit seinen östlichen Nachbarn, vor allem Polen, durch sofortige Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als deutscher Ostgrenze und der Vertreibung aller Deutschen, ob Staats- oder Volksdeutscher, aus Ostmitteleuropa herbeiführen will. Diesen Verzicht, eine Vorleistung auf einen späteren Friedensvertrag mit und über Deutschland, sollte die Bonner Bundesregierung völkerrechtlich verbindlich abgeben. Man hat damals gelegentlich vernommen, daß eine ähnliche Erklärung oder Denkschrift auch von katholischer deutscher Seite geplant gewesen, aber durch die heftige Ablehnung der EKD-Denkschrift bei einem großen Teil der evangelischen Gläubigen gestoppt worden sei. Von Bedeutung waren in diesem Zusammenhang die Schriften des Pastors Evertz, der bereits 1964 Aufsehen erregt hatte.

Während der Arbeitskreis „Glaube und Heimat“, der vom Zentralkomitee deutscher Katholiken mit zur Vorbereitung des 87. Deutschen Katholikentages 1966 in Bamberg eingesetzt worden war, in verschiedenen Referaten, darunter auch einem solchen des Verfassers dieses Beitrages über „Die Rechte des Volkes in der katholischen Gesellschaftslehre“, darum bemüht war, unter Herausstellung päpstlicher Rundschreiben und des Schemas XIII des II. Vatikanischen Konzils die naturrechtlichen Werte von „Volk“, „Heimat“, und damit auch des Schutzes vor Vertreibung und Massenzwangswanderung bei gleichzeitiger Ablehnung jeglichen Nationalismus zu definieren, bildete sich in Bensberg bei Köln ein von der Pax-Christi-Bewegung her kommender kleiner Kreis deutscher Katholiken — er nennt sich seither „Bensberger Kreis“ — zu dem Ziele, diesen Gedanken, vor allem einem „Recht auf die Heimat“ entgegenzutreten und von katholischer Seite ein Pendant zur EKD-Denkschrift zu erarbeiten. Auch hier sollte der Geist der Versöhnung durch bedingungslose Vorleistungen Deutschlands Pate stehen. Der bekannte Brief des polnischen Episkopates an die deutschen Bischöfe vom 18. November 1965, der in edler Gesinnung Versöhnung bot, allerdings von historisch-nationalistischem Polonis- mus nicht frei ist (vergleiche dazu die Schrift des Wiener Oberstaatsbibliothekars Dr. Egon Hanel. „Über alles die Wahrheit“, Würzburg 1966), hat dazu sicher sehr berechtigt mit Anstoß gegeben.

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