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Eigentumsethik und Eigentumsrevisionismus

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Das Eigentum, sein Begriff, ist seit der Bekämpfung des privateigentumsfeindlidhen Sozialismus der Angelpunkt der christlichen Soziallehre und -politik. Bauten aber — vielfach ungewollt — diesbezügliche Grundsätze theoretisch Wolken und praktisch Wandschirme für das gegebene Eigentum, so stellt Burghardt dieses unnütze Verfahren einfach auf den Kopf. Er, bekannt als Gegner leerer Allgemeinbegriffe und Allengefälligkeiten, fragt nicht nach den schon restlos abgenagten Eigentums-„Prinzipien“, sondern vordringlich wie drängend nach dem Eigentums-„Effekt“. Für Burghardt ist jede Eigentumsordnung, nach welchem Prinzip sie auch immer eingerichtet sei, an sich gut, sofern sie dem konkreten Menschen nützt, das heißt, es ihm möglich macht, zur Vollperson aufzuwachsen, in Wohlfahrt und Freiheit zu leben. Nicht um alte oder neue Eigentumstitel, vielmehr um die Gebrauchsweisen des Eigentums geht es. Burghardt schreibt mit der reichen Erfahrung, welche die Sozialgeschichte seit 1917 liefert, daß Eigentum als Sphäre verfügbarer Gegenständlichkeit in Form von Sonder- oder Geme'in-Eigen-tum da wie dort zur Versklavung führen müsse, wenn „Gerechtigkeit“ fehle.

Was aber ist „Gerechtigkeit“? Als Antwort gibt Burghardt keine Abstraktion im Sinne des unverbindlichen Satzes: „Jedem das Seine.“ Das ist für ihn sozialreformerisch ein unbrauchbares Urteil, weil ein Urteil mit offenen Türen, das auch dem Herrn den Sklaven als das „Seinige“ sicherstellt und sogar den Mißbrauch des Eigentums als „Naturrecht“ verteidigt. Burghardt reflektiert deshalb nicht näher auf die verblasene Gemeinplätzigkeit und dürre Schematik d'eses „Rechtes“, das mit scheinfrommen Tiraden herumschleicht und Kratzfüße vor den Beati possidentes macht. Burghardt will Gerechtigkeit nicht als Schlafmütze der Eigentumsverhältnisse von heute und gestern, sondern — um mit Pauli Briefe an die Epheser (VI, 14) und Korinther (1/VII, 21) zu sprechen — als „Panzer“ der kommenden mit der Parole: „Wer frei werden kann, werde es!“ So erscheint „Gerechtigkeit“ dann als konkretes Vollkommenheitsbild des Menschen, dem nicht das „Seinige“ gebührt, wenn dies ein Sklave ist! Zu dieser Aufstellung gelangt allerdings Burghardt nicht auf dem Wege einer Deduktion aus einem Begriffs-Albino von „Natur“ und „Mensch“, was immer dazu führt, Wahrheiten zu erfinden, sondern auf dem Wege einer Deduktion — aus der Kultur- und Arbeitergeschichte seit 150 Jahren, aus den Lanzen und L'eiden einer reduzierten Gesellschaftsschicht.

In diesem Zusammenhang zergliedert nun Burghardt, der als Professor der Betriebswirtschaftslehre auch vorzüglicher Soziologe ist, die gesellschaftlichen Hintergründe der gegenwärtigen Ideen und Interessen. Er demaskiert die kapitalistische wie die sozialistische Zwei-Klassen-Gesellschaft: Er zeichnet zunächst die Ausgliederungsform der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft von der „Eigentümer-Hierarchie“ von gestern zur „Arbeitseinkommen-Hierarchie“ von heute, deren Hierarch der „eigentumslose Generaldirektor“ oder „kapitalistische Manager“

ist; er zeichnet aber auch ebenso treffend die sozialistische „Arbeitseinkommen-Hierarchie“, die in den „kapitallosen Kapitalisten“ oder „Genossen Generaldirektor“ gipfelt, wobei die soziale Prämie nicht nur — wie im „rückschrittlichen Kapitalismus“ — auf Villa, Auto und Pelzmantel steht, sondern „fortschrittlich“ und zusätzlich auf politische Gewalt und weltanschauliche Verfügung über die Genossen im Betrieb. Die bürgerliche Zwei-Klassen-Gesellschaft, welche die Sozialisten bekämpften, ist damit allerdings unter anderen Vorzeichen wieder hergestellt! Und die „Gleichmacherei“, wo-, von die Sozialisten vor 100 Jahren schwärmten, wird von Stalin als „kleinbürgerliches Laster“ erklärt!

Es ist, was Burghardt gut beschreibt, eine Art „Neu-Feudalismus“, womit der Sozialismus schwanger geht. Generalsozialisierung fordert auch notwendig Generaldirektoren, am Ende auch Generäle und Generalissimi, damit eine privilegierte Schichte. Diese ist gewiß, wie die Geschichte der Alt-Grafen und Alt-Barone zeigt, anfangs eine „Leistungs-Elite“, woraus aber am Ende eine „Pfründner-Elite“ wird, die vis-ä-vis dem „Volk“ sich empfindet und stellt. Damit ist wieder eine hierarchische Investitur vollzogen, davon Lenin in der bestimmungsmächtigen Erklärung vom Oktober 1917 sprach: „Wenn der Zar mit 130.000 Adeligen regieren konnte, so wird die kommunistische Partei mit ihren 240.000 Mitgliedern es mindestens ebensogut zustande bringen.“ Nun wissen wir, wie sie es zustande bringt und gebracht hat. Hier ist, im

Lande des Sozialismus am Ziel, wie das Sondereigentum ehedem, das Gemeineigentum jetzt — Kulisse der Ausbeutung. So ist es, weil, worauf Burghardt nochmals aufmerksam macht „Gerechtigkeit“, und zwar „Eigentums-Gerechtigkeit“, fehlt.

Was aber ist „Eigentums-Gerechtigkeit“? Mit dieser Frage stößt Burghardt zum „Eigentums Revisionismus“ vor und entwickelt seine Theorie „vom Abfindungslohn zum Miteigentum“. Ziel ist, was die Vogelsangschule mit ihrer Devise schon wollte: „Absorption der Arbeiterklasse durch die Besitzerklasse.“ Vorschlägereich erörtert Burghardt diese selbstverständliche Forderung und meint, daß in vielen Bereichen der Wirtschaft ein die Arbeiterschaft einbeziehendes kommanditistisches Prinzip am ehesten geeignet erscheine, beim Einsatz des Kapitals den Kern des Eigentumsrechtes als eines Anwesens des menschlichen Wesens und seiner Wohlfahrt zu realisieren. Denn die Aktivierung dieses Prinzips in der unternehmerischen Wirtschaft sei gleichbedeutend mit einer Kombina tiön von vollhaftenden und daher in der Dis Position bevorrechteten Gesellschaftern und beschränkt haftenden, aber die Eigenschaft von Sub-Unternehmern besitzenden Arbeitnehmern Damit, schließt Burghardt, werde „die Annahme überwunden, es gehöre notwendig zum Wesen des Arbeiters, daß er ohne Eigentum an Produktionsmitteln sei“. Eine solche Reform habe auch „den Charakter einer echten Reprivatisie rung“. Das liberale Ziel, Wohlstand und Frei' heit für jeden, erfülle sich!

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