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Niemand soll sich rühmen ...

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Aber selbst wenn man den Fortbestand der die Verjährung ausschließenden Bestimmungen des geltenden Strafrechts annimmt, können diese nicht auf den Schreibtischmörder und alle diejenigen angewendet werden, die bei der Verwirklichung des Mordes, und sei er auch Massenmord, nicht unmittelbar Hand angelegt haben, weil deren Mitwirkung von unserem Strafgesetz auch seinerzeit nicht mit dem Tod bedroht war.

Wenn das österreichische Strafrecht die Verjährung nur für den Mörder ausschloß, der bei der Tötung unmittelbar Hand angelegt hat, dann war für den Gesetzgeber maßgebend, daß in der entfernten Mitwirkung der Täter mit dem objektiven Unrechtsgehalt seiner Tat weniger scharf konfrontiert wird und daher deren Unwert vielleicht nicht in voller Stärke erfaßt hatte, es sei denn, er wäre Anstifter gewesen.

Eine solche Regelung läßt unberücksichtigt, daß ein Minus auf der Schuldseite durch ein Plus auf Seiten der verletzten Rechtsgüter aufgewogen sein kann, wie dies bei den Massenverbrechen in den Zeiten nationalsozialistischer Verfolgung oder auch dort der Fall sein kann, wo die moderne Technik dem Verbrecher die Möglichkeit zur Massenvernichtung in die Hand gibt.

Nach meiner Ansicht ist es unbedingt nötig, daß der Gesetzgeber bei den schwersten Delikten in Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Tat die Verjährung grundsätzlich ausschließt. Dies ist nur deshalb nötig, weil diese nach Art und Umfang besonders tief in den Bestand der Rechtsgüter eingreifenden Delikte psychische Wirkungen auslösen,- die innerhalb eines Menschenlebens nicht in Vergessenheit geraten können, sondern auch deshalb, weil sich niemand später ungestraft einer solchen Tat rühmen können soll.

Unrichtig halte ich es, die eine Verjährung ausschließenden Bestimmungen auf Nationalsozialisten einzuschränken. Eine strafrechtliche Maßnahme kann nie auf einen durch sein polititsches Bekenntnis, seine Rasse, seine Religion oder ähnliches bestimmten Personenkreis abgestellt sein, sondern nur auf das Verschulden. Die Bestimmungen über die Unverjährbarkeit ergeben sich aus der Natur des Verbrechens und sollen daher den Mörder, insbesondere den Massenmörder, ganz allgemein treffen, gleichgültig, ob er in Ausnützung der NS-Gewaltherrschaft gehandelt hat oder etwa als Versicherungsbetrüger ein Verkehrsflugzeug zum Absturz brachte.

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