Die Fragen nach Istanbul

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Die Türkei müsste eigentlich ein sicheres Land sein. Seit dem Sommer und dem gescheiterten Putschversuch gegen Präsident Erdogan gilt nun schon der Ausnahmezustand. Es gibt keine "Staatsfeinde", die noch Pardon genießen. Verhaftungen gehen in die Massen, die Verurteilungen auch. Geholfen hat das nichts, im Gegenteil. Die Zahl der Attentate hat sich vervielfacht, bis hin zum Silvesterattentat des IS, bei dem während einer Silvesterfeier in einer Diskothek Dutzende Menschen getötet wurden. Es hat die Verwundbarkeit des Staates nur noch offener gezeigt. Die nächste Polizeidienststelle lag wenige Meter entfernt, doch der Täter konnte über eine Viertel Stunde ungehindert morden und danach mit einem Taxi entkommen.

Das Fazit ist eine Bestätigung: Die Türkei ist kein sicheres Land mehr und die AKP hat es dazu gemacht. Ihr Parteiführer, der starke Mann Erdogan, hat den innenpolitischen Frieden verspielt, indem er die Kurden zu Staatsfeinden erklärt hat. Er muss sich nun nicht wundern, dass Feinde auch als Feinde handeln. Erdogan war es auch, der mit Wissen der NATO-Alliierten dem Treiben des IS nicht nur tatenlos zusah, sondern auch noch beide Augen verschloss, als die Terroristen das von ihnen geraubte Öl in der Türkei zu Waffengeld machten und die Türkei zum Durchzugsgebiet für den Nachwuchsterror aus ganz Europa machten.

Der Westen muss sich nicht nur den Vorwurf gefallen lassen, einem immer autoritärer agierenden Präsidenten seinen Willen gelassen zu haben. Er muss sich selbst der haarsträubenden Fehleinschätzung anklagen, der IS werde nur Syrien, nicht aber den Westen treffen. Was Istanbul zeigt und was Berlin und Nizza, Brüssel und alle Terrorschauplätze, die noch kommen werden, bestätigen: Die Unsicherheit der Kriegsopfer ist zu unserer eigenen geworden. Und wir haben uns die Unsicherheit selbst fabriziert. Wir haben sie erzeugt, indem wir die größten Fehler von Afghanistan 1980, die Unterstützung radikaler Muslime, in Syrien wiederholten. Zu Jahresbeginn 2017 stellt sich die dringende Frage: Ist die Politik lernfähig? Und wo sie es nicht ist, warum wird sie nicht geändert?

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