Europas Anteil am Kurdenopfer
Trumps Verrat an den Verbündeten in Syrien war abzusehen – nun droht eine neue Flüchtlingswelle. Eine Analyse.
Trumps Verrat an den Verbündeten in Syrien war abzusehen – nun droht eine neue Flüchtlingswelle. Eine Analyse.
Die Kurden sind, wenn es um die westliche Politik geht, wohl eines der beliebtesten Völker der Welt. Angela Merkel, Emanuel Macron, ja selbst Donald Trump waren immer voll des Lobes für die erfolgreichen Kämpferinnen und Kämpferder Volksbefreiungsbewegung YPG. Vom Satz „wichtige Verbündete“ von Merkel bis zum amikaleren „Friends“ (Donald Trump) reichen die Bezeichnungen für jene Truppen, die für den Sieg gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ in Syrien seit 2016 maßgeblich verantwortlich sind.
Dass das nun nicht mehr so ist, liegt zwar in der Hauptsache an Donald Trump, der seine Unterstützung für die Kurden durch US-Bodentruppen zurückzieht und die Türkei eingeladen hat, sich des kurdischen Territoriums zu bemächtigen. Es ist aber auch ein Zeichen europäischen Versagens. Denn der Rückzug war vorhersehbar und die Europäer taten so, als ginge sie das alles nichts an. Das wird Folgen haben, die unkontrollierbar sind.
Tatsächlich hätten die Europäer schon vor Monaten handeln müssen. Denn die Preisgabe der Kurden war bereits eingeleitet worden in dem Moment, als die USA die YPG zwangen, ihre Verteidigungsstellungen Richtung Türkei abzubauen und gemeinsame Patrouillen mit türkischen Truppen einrichtete. Das alles wurde widerspruchslos toleriert im Wissen, dass die Türkei schon seit Jahren gegen die YPG vorgehen will und sie als permanente Bedrohung für die türkische Herrschaft über die kurdischen Regionen in der Türkei sieht. Und auch im Wissen, dass die USA sich eher kurzfristig als langfristig aus Syrien zurückziehen wollen.
Aber nichts geschah, kein Anruf aus Paris oder Berlin nach Washington oder gar nach Ankara. Und es gab nicht einmal den Ansatz eines Plans, die US-Truppen durch europäisches Militär zu ersetzen. Hat man sich darauf verlassen, dass das Weiße Haus wieder zu einer rationalen Außenpolitik zurückfinden würde? Und wenn ja, was gab für diese Hoffnung den Anlass? Und warum hat man das Problem der Rücknahme der europäischen IS-Kämpfer den USA überlassen, wie Trump richtig kritisiert? Nun ist es also so weit, und man muss nicht noch einmal die Fadenscheinigkeit der sich ständig ändernden Trump’schen Erklärungen breit erläutern.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!