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Bergtuken in Not

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Die Kurden, ein Volk mit indoeuropäischer Sprache, die mit Persisch verwandt ist und einer dreitausendjährigen Kulturgeschichte, bilden eine eigene Nation, die sich auf fünf verschiedene Staaten aufteilt: 8,5 Millionen in Anatolien (Türkei), 5,5 Millionen in Persien (Iran),

2.5Millionen im Irak, 0,6 Millionen in Syrien und 0,1 Millionen im sowjetischen Kaukasden, zumindest kurdischen Quellen zufolge.

Wie die Armenier kämpfen die Kurden seit langem für einen eigenen Staat, der ihnen nach dem Ersten Weltkrieg versprochen, aber niemals realisiert wurde. Nachdem der Schah von Persien den kurdischen Aufständischen im Irak im Frühjahr 1975 endgültig die Unterstützung entzogen hat, glaubte man, der Freiheitstraum der Kurden sei ausgeträumt.

Aber im Frühjahr 1976 ist der bewaffnete Kurdenaufstand im Irak wieder aufgeflammt. Außerdem scheint der Schwerpunkt der kurdischen Revolution sich in den Südosten der Türkei verlegt zu haben, wo bereits über elf Provinzen vom Justizminister in Ankara der Ausnahmezustand verhängt worden ist.

Der gesamte Südostteil der Türkei wird unter anderem von Kunden bewohnt. 25 Prozent der Bevölkerung Anatolien werden von manchen Kurderaführern für ihr Volk reklamiert. Doch seit den Tagen Kemal Atatürks gibt es bis heute offiziell nur Ostanatolien, das Land der sogenannten ,,Bergtürken“, kein Nordkurdistan, keine kurdische Nation oder Nationalität, kurdische Sprache wie Organisationen oder Institutionen der Kurden sind streng verboten.

Türkisch-Kurdistan, von Kasernen der türkischen 2. und 3. Armeen überzogen, ist zu großen Teilen militärische Sperrzone, in der seit Jahren Kriegsrecht herrscht. Sogar Spachforscbungen von internationalen Kurdologen wurden von den türkischen Behörden untersagt.

Kulturell und wirtschaftlich ist der kurdische Teil Anatoliens sehr vernachlässigt und benachteiligt. Er ist der ärmste Teil des Landes. Nur

5.6Prozent der türkischen Industrie befinden sich in Türkisch-Kurdistan, aber 21 Prozent der Gesamtbevölkerung leben hier. Die Kurden erhalten keinerlei Schulbildung in ihrer Muttersprache. Nach der offiziellen Statistik waren 1965 im „Osten“, das heißt Türkisch-Kurdistan, 72 Prozent der Einwohner Analphabeten (im türkischen Anatolien nur 44,5 Prozent). Die Lage ist heute nicht besser. Immer wieder kommt es zu Hunger in einzelnen Gebieten. Übergriffe der türkischen Truppen gegen die Zivilbevölkerung sollen häufig sein.

Wie der Druck im Irak gegen die Kurden sind solche Repressionen eher eine Stimulation des rebellischen Bewußtseins in Nordkurdistan. Die dortigen Kurden haben sich schon in Organisationen wie „Revolutionäre Kulturvereinigungen des Ostens“ zusammengeschlossen und unterstützen den Guerillakrieg der Linken gegen die Ankara-Regierung.

Der NATO, vor allem den USA, sind solche Gefahren bewußt. Noch vor zehn Jahren hat Washington einen geheimen Plan zur „Neugliederung Anatoliens“ ausgearbeitet, wonach die Westküste, einschließlich der beiden Meerengen Bosporus und Dardanellen bis Smyrna und Kas, Griechenland angegliedert werden, während die türkischen Teile Armeniens und Kurdistans ihre Unabhängigkeit erhalten sollten.

In der Tat sind die Türken selbst kein einheitliches Volk, da es seit jeher, historisch bedingt, in. Osma-nen und Seldschuken gespalten ist. Die Religion des Islams spielt heute in der Türkei wieder eine größere Rolle, weil Ankara an eine Wieder -annährung an die islamische Welt denkt. Wie die Perser sinid die Kurden Schiiten, während Türken und Araber Sunniten sind, was ebenfalls Zündstoff für die unentwegten Konflikte liefert.

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