Die Mehrheit ist nicht zufrieden

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Eine neue Art, das Bruttoinlandsprodukt zu errechnen fordert Lebensminister Nikolaus Berlkakovich im FURCHE-Interview. Bildung und Lebensqualität sollten darin aufgenommen werden.

Die Furche: Was darf man sich unter dem Thema Wachstum im Wandel vorstellen?

Niki Berlakovich: Das globale Bevölkerungswachstum verursacht eine große Herausforderung, denn wir brauchen mehr Lebensmittel, mehr Energie, mehr Ressourcen. Aber in einer endlichen Welt gibt es kein unendliches Wachstum. Daher müssen wir gegensteuern, weil wir gegenwärtig die Umwelt schädigen und die Lebensqualität verschlechtern. Teilweise sogar irreversibel.

Die Furche: Wo wollen Sie ansetzen? Bei der Lebensweise aller, bei Produktion oder Produktivität?

Berlakovich: Wir brauchen ein neues Denken. Wir leben auf Kosten kommender Generationen. Ein derartiges Leben im Überfluss wird es nicht mehr lange geben können. Neu zu denken, bedeutet unter anderem, das Bruttoinlandsprodukt nicht mehr nur nach Zahlen zu definieren, sondern vom quantitativen zum qualitativen Wachstum zu gelangen, also Bildung, Lebensqualität ebenso aufzunehmen.

Die Furche: Und die Lebensführung bleibt gleich?

Berlakovich: Wir müssen unsere Lebensweise ändern,weniger Energie verbrauchen, weniger Lebensmittel wegwerfen.

Die Furche: Wie ließe sich dies durch Steuern steuern? Abgaben auf Geldgeschäfte, Kernenergie, ...?

Berlakovich: Dazu gibt es viele Varianten. Es geht um das Grundsätzliche: Die jüngste Bertelsmann-Studie ergab, dass acht von zehn Deutschen und Österreichern sagen, sie seien mit der aktuellen Entwicklung der Wirtschaft nicht zufrieden. Der Kommunismus ist gescheitert, der nur auf Gier ausgerichtete Kapitalismus hat die Welt an den Rand des Kollapses geführt. Unter der Schuldenkrise werden wir noch jahrelang leiden. Wir müssen Ökonomie und Ökologie aufeinander abstimmen, also unser Modell der ökosozialen Marktwirtschaft aktualisieren.

Die Furche: Welcher Zeithorizont steht zur Verfügung, wie schnell müssen wir handeln?

Berlakovich: Wir müssen sofort beginnen, zu handeln. Wer früher dran ist, bekommt die Probleme eher in den Griff. Die weltweiten Diskussionen sind zäh und mühsam, wie der Gipfel von Rio auch zeigte. Große Staaten wie die USA und China bremsen enorm. Aber es gibt nur eine Strategie für diese Welt, und die heißt Green Growth, grünes Wachstum. Das sagt die OECD, die Organisation der Industrieländer, in ihrer jüngsten Studie. Von der jetzigen Konferenz erwarte ich zumindest ein 10-Punkte-Programm. (cr)

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