Aufbäumen gegen das Diktat quantitativen Wachstums

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Allein die Menge ist beachtlich: komprimiert getextete zehn Kapitel Diskussionspapier, weitere 70 Seiten „Zukunftsdossier“ mit 120 Literaturhinweisen, dann 500 Teilnehmer bei der Konferenz vorige Woche in Wien: Die Initiative „Wachstum im Wandel“ rechnet mit Kapitalismus und Finanzwirtschaft ab, entwirft plausible Szenarien für ein „Wachstum an Lebensqualität und an nachhaltigem Wohlstand für alle“. Denn auf die Qualität, auf die Inhalte kommt es an.

Mit nahezu zwei Dutzend Partnern – vom Bundeskanzleramt und drei Ministerien über Banken und Sozialpartner bis zum Ökosozialen Forum – hat das Umwelt- und Lebensministerium die Initiative „Wachstum im Wandel“ gestartet und dazu eine zweitägige Konferenz in Wien organisiert. Umweltminister Niki Berlakovich würdigte zum Auftakt den durch hohe Produktivität erreichten Wohlstand in Teilen der Welt, merkte aber an: „Leider wurde dabei der Beipackzettel mit den Nebenwirkungen, wie Klimawandel oder Artenverlust, außer Acht gelassen.“ Daraus seien Konsequenzen zu ziehen.

Nach Kapitalismuskritik aus Krise lernen

Das Ziel der Initiative, deren „Zukunftsdossier“ an der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg (JBZ) erstellt wurde, ist daher, Lösungsansätze für „eine sozial verträgliche, gerechte und ressourcenschonende Wirtschaftsweise“ anzudenken, erläuterte Berlakovich.

Die 38 Befunde lesen sich wie Kapitalismuskritik. Die Ausweitung des westlichen Konsummodells, das auf Raubbau an Ressourcen und Ausbeutung fossiler Energieträger beruhe, würde die Umweltkrise verschärfen und damit die Lebensgrundlagen vieler Erdbewohner bedrohen. Die Sättigung bei hoher Produktivität sei einer von mehreren Gründen für die immanenten Krisen des Kapitalismus. Weitere Ursachen seien die zu Spekulation einladende Instabilität des Finanzsystems, die Aufblähung des virtuellen Geldvolumens sowie die zunehmende Konzentration des Vermögens bei gleichzeitiger Anhäufung von Schulden bei den Kreditnehmern. Wirtschaften jenseits von Wachstum sei daher angesagt ( www.wachstumimwandel.at).

In den 28 Punkte zählenden Ausblicken wird für die Wohlfahrtsstaaten vom Befund ausgegangen, dass Glück und Zufriedenheit über einem festlegbaren Niveau nicht mehr ansteigen. Daher seien postmaterialistische Lebensweisen attraktiv, sollten eine Qualifizierungs- und Innovationsoffensive zu qualitativem Wachstum in einer wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft führen. Dies erfordere einen „handlungsmächtigen Staat“, der nicht durch Schulden eingeschränkt werde. Weitergehende Vorschläge sprechen von einer „Gemeinwohlökonomie“, in der die Unternehmensbilanzen auch soziale und ökologische Aspekte enthielten. Die Finanzkrise sollte jedenfalls zu einem Umdenken zugunsten realer Bedürfnisse genutzt werden. Die „Postwachstumsökonomie“ bedürfe wissenschaftlicher Fundierung. Ihr Ziel sei „kulturelle Transformation zu einem einfacheren Leben“.

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