Gegen die mächtigen Mauern des Vorurteils

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Im burgenländischen Unterschützen werden die Häuser und ihre Bewohner noch nach alter Tradition bezeichnet. Da gibt es also den Familiennamen und den Hofnamen, etwa Familie Huber vulgo "Stockinger". Der Vulgo-Name rührt meist von der Zeit der Hofgründung her und manchmal sogar noch von der Urbarmachung des Landes - er ist wie eine zweite Haut - jene der Vorfahren. Rudolf Sarközis Familie hatte auch so einen Hofnamen, den alle Unterschützener kannten und nannten: "Zigeuner". Und der kleine Rudolf war entsprechend der "Zigeuner-Rudi". Das wäre nicht so schlimm gewesen, wenn das mit der gleichen geläufigen Achtung gesagt worden wäre wie bei den anderen. Aber es war eben Verachtung, die da immer mitschwang, und sie konnte im Nu zu einem Schimpfwort konvertieren - in der Sandkiste, in der Schule, auf der Straße und dann auch im Beruf. Immer wieder: "Du Zigeuner". Und dass die Nazis die "Zigeuner" in ihren KZs hatten vernichten wollen, war den anderen egal -, dass er selbst in einem KZ geboren worden war, sowieso. Alles egal: "Lustig ist das Zigeunerle-e-ben varia!!" So sangen, schunkelten und lachten sie beim Heurigen.

Da begann Rudolf Sarközi, der einfache Lastwagenfahrer, zu kämpfen. Gegen den Begriff "Zigeuner" und die Abwertung der anderen. Und er tat das in aller Direktheit und ohne jede Scheu: Die Kronen Zeitung etwa schrieb lange statt Romanes und Sinti "Zigeuner". Rudolf Sarközi, der da schon längst den "Kulturverein österreichischer Roma" gegründet hatte und mit der Republik über die Minderheitenrechte verhandelte, kämpfte Jahre dagegen an. Er schrieb Briefe, Petitionen, protestierte öffentlich - ohne Erfolg. Aber dann, während eines Donauinselfestes, sah er Hans Dichand, den Krone-Herausgeber in der Menge. Sarközi also hin und fragt: "Warum machen Sie mich verächtlich, warum beschimpfen Sie mich in Ihrer Zeitung?" Und alle Umstehenden schauen auf Dichand. Und der weiß keine Antwort. Die Kronen Zeitung verwendete ab diesem Tag das Wort Zigeuner nicht mehr. Nach den Bombenattentaten des Franz Fuchs gegen die Roma von Oberwart war es Sarközi, der auf die Probleme insgesamt hinwies, der die Geschichte der Roma-Verfolgung thematisierte und so eine breite Diskussion anfachte. Und Sarközi hatte Erfolg. Aber er war am Ende auch ein Realist: "Am Zigeunerschnitzel oder am Zigeuneraufstrich kann man nicht mehr herumdoktern. Das nehme ich zur Kenntnis." Rudolf Sarközi, ist in dieser Woche 71-jährig gestorben.

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