Gutes Beispiel für Europa

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Ich bin Österreicher", positioniert sich Rudolf Sarközi im Gespräch mit der furche. Damit verwirft der Vorsitzende des Volksgruppenbeirats der Roma in Österreich die von der Internationalen Romani Union (IRU) forcierte Ausrufung einer Roma-Nation und deren Forderung nach einer europäischen Staatsbürgerschaft. Vertreter von IRU betonten nämlich, dass man bei einer europaweiten Bevölkerung von zehn bis 15 Millionen Roma, nicht mehr von einer Minderheit sprechen kann. Denn die Roma-Nation hätte mehr Mitglieder als einige europäische Staaten. Territoriale Ansprüche beinhaltet der IRU-Vorstoß keine, denn "die Roma seien zwar eine Nation, fordern aber keinen eigenen Staat". Sarközi lehnt diese Initiative ab, spricht den IRU-Repräsentanten ihre Legitimation ab und stellt hingegen die Situation in Österreich als ein "gutes Beispiel für Europa" hin.

Seit dem Dezember 1993 ist die "Volksgruppe der Roma" anerkannt. Und mit der Konstituierung des Volksgruppenbeirats 1995 steht der sechsten Volksgruppe in Österreich ein Gremium zur Verfügung, in dem die Volksgruppenangehörigen ihre legitimen Rechte vertreten können. Eine Volksgruppe mit allen Rechten und Pflichten zu sein, dass fordert Sarközi auch für Roma in anderen europäischen Ländern und verweist auf die besonders schwierige Situation in den osteuropäischen Reformländern, wo die Roma durchwegs zu den Verlieren der Wende gehören.

Tschechien geriet durch rassistisch motivierte Morde an Roma in die Schlagzeilen, nicht zu vergessen der Mauerbau um eine Roma-Siedlung in der nordböhmischen Stadt Usti nad Labem. Slowakische Politiker forderten im vergangenen Jahr "Zigeunerreservate" mit der Begründung, slowakische Roma seien nicht anpassungsfähig. Und auch in Ungarn gibt es für Roma kein Ausbrechen aus dem Teufelskreis von Armut, schlechter Bildung und Vorurteilen. Umfragedaten sind niederschmetternd: Zwei Drittel der Ungarn glauben, dass die kriminelle Neigung den Roma "im Blut" liege, fast drei Viertel, dass die gegenwärtig höhere Geburtenrate der Roma "eine Bedrohung für die Sicherheit der Gesellschaft" darstelle.

Und diesseits der Grenze? Sind die burgenländischen Roma mit der Anerkennung als Volksgruppe von Vorurteilen befreit? Mitnichten, eine Umfrage zwischen Jänner und März 1995 ergab, dass Roma die in Österreich am stärksten abgelehnte und angefeindete Minderheit sind. 45 Prozent der Befragten meinten, "Zigeuner lieber nicht als Nachbarn haben zu wollen". In den Befragungszeitraum fiel auch das Bombenattentat in Oberwart am 4. Februar 1995, dem vier Roma zum Opfer fielen. Ein Rückschlag im Bemühen des Oberwarter Vereins Roma, die Ära der Zurückgezogenheit, der Selbstverleugnung und widerstandslosen Anpassung hinter sich zu lassen, sowie die Lebensbedingungen der Roma zu verbessern.

NS-Entschädigung Das Attentat rief schon überwunden geglaubte Ängste wieder hervor. Die Vereinsarbeit, die zwar die Anerkennung als Volksgruppe gebracht, die Roma aber auch exponiert hat, wurde in Frage gestellt und es gab Stimmen für die Rückkehr in die Anonymität. Letztlich konnte aber auch die Bombe den von den Roma eingeschlagenen Weg der Öffnung und gesellschaftlichen Integration nicht zerstören. Emmerich Gärtner-Horvath, Obmann des Vereins Roma, betont im Gespräch das bereits Erreichte: Anerkennung, neue Bildungs- und Berufsmöglichkeiten für die Jugend, Wiederbelebung einer bereits tot geglaubten Sprache und Kultur.

Ein konkretes Ziel ist, den aus allen Nähten platzenden Vereinssitz in Oberwart auszubauen. Gärtner-Horvath hofft dafür Geld aus dem NS-Entschädigungsfonds zu bekommen. Denn mindestens 143 Roma-Gemeinden von rund 7.000 Personen wurden in der Nazizeit im Burgenland dem Erdboden gleich gemacht. Rudolf Sarközi sitzt für die Roma im Kuratorium des Nationalfonds. Seine Vorstellungen belaufen sich auf rund zehn Millionen Schilling an Entschädigung. "Ich bin kein heulender Wolf, der immer nur Forderungen stellt", betont Sarközi. Wichtig ist für ihn aber, dass Roma in der Gesellschaft nicht übergangen werden und eine Stimme haben, die gehört wird.

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