Norbert Mappes-Niediek - © Foto: Lupi Spuma

Roma in Armut: "Was fehlt, ist eine Strategie"

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Unter Covid-19 leiden in Südosteuropa vor allem die Ärmsten. Die Roma bilden eine besonders benachteiligte Gruppe. Ein Gespräch mit Norbert Mappes-Niediek über Ursachen und Lösungsansätze.

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Unter Covid-19 leiden in Südosteuropa vor allem die Ärmsten. Die Roma bilden eine besonders benachteiligte Gruppe. Ein Gespräch mit Norbert Mappes-Niediek über Ursachen und Lösungsansätze.

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Dreißig Jahre nach der Ausrufung des Welt-Roma-Tages verschärft die Corona-Krise die vielfach prekären Lebensbedingungen der größten Minderheit Europas. Der Journalist und Osteuropa-Kenner Norbert Mappes-Niediek im Interview über Vorurteile, fehlende Solidarität und Armutsbewältigung als gesamtgesellschaftliches Projekt.

DIE FURCHE: Herr Mappes-Niediek, im Zuge der Covid-19-Krise hat Bundeskanzler Sebastian Kurz auf Roma-Siedlungen auf dem Balkan als weitere Problemzonen verwiesen. Länder wie Bulgarien riegeln längst Wohngegenden ab, in denen Romnija und Roma leben, und der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma befürchtet, dass „rechtsextreme und nationalistische Politiker in Mittel- und Südosteuropa die gegenwärtige Corona-Krise nutzen“ könnten, „um […] rassistische Positionen als Regierungshandeln zu legitimieren und umzusetzen“. Warum haben es die zwölf Millionen Roma in Europa so schwer?
Norbert Mappes-Niediek:
Alle Staaten, in denen viele Roma leben, gingen in den 1990er Jahren durch eine massive Wirtschaftskrise, von der sich vor allem Roma bis heute nicht erholt haben. Sie waren und blieben das untere Zehntel der Bevölkerung. In der Zeit des Sozialismus hatten sie die schlechtesten Jobs – sprich: Sie fegten die Höfe der Fabriken oder arbeiteten bei der Müllabfuhr. Aber sie waren ins Arbeitsleben integriert. So erklärt sich auch die unter Roma weitverbreitete Sozialismus-Nostalgie. Wenn ich gleichaltrigen Roma begegne, dann schwärmen viele von ihnen geradezu von dieser Zeit. Das ist aus ihrer Sicht auch verständlich.

In Rumänien, dem Land mit den meisten Roma, sank die Zahl der Arbeitsplätze nach 1990 von 8,5 auf vier Millionen. Als die Wirtschaft nach der großen Krise wieder ansprang, blieben die Roma außen vor. Gerade die einfachen, unqualifizierten Jobs fielen weg. Nur eine verschwindend kleine Zahl der Roma Osteuropas hat nach dem politischen Wandel wirtschaftlich Fuß fassen können. Heute sind Roma de facto die abgehängte Unterschicht in Osteuropa.

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