Die Mauer ist weg, der Haß bleibt

Werbung
Werbung
Werbung

Die international heftig kritisierte Mauer in der nordböhmischen Stadt Usti nad Labem wird abgerissen. Der Abbruch des Bauwerks, das "weiße" Tschechen von sogenannten "schwarzen" Roma trennen sollte, löst jedoch in keinster Weise die Probleme der Roma in Tschechien.

"Nicht nur hier", erklärt Petr Jano, Vorsitzender der regionalen Romaorganisation, "wollen uns die Weißen nicht haben." Ein Beispiel ist die Siedlung Chanov in Most. Noch vor der "sanften Revolution" wurden dort Wohnblöcke für etwa 6.000 Roma gebaut. Heute ähnelt diese Siedlung vom Krieg verwüsteten Ortschaften. Versuche, die Häuser zu sanieren, und dabei auch einige Arbeitsplätze zu schaffen, sind gescheitert. In der Siedlung gibt es keine Straßenbeleuchtung und keine Geschäfte. "Ein Geschäft aufzumachen, ist unmöglich", sagt ein Passant auf der Straße: "In der Nacht würde es sofort ausgeraubt werden."

Auch die Post kann nicht normal funktionieren. Da die Roma Nomaden sind, ziehen die Familien von einer Wohnung in die andere um. So ist der Briefträger gezwungen, auf der Straße laut die Namen zu rufen. Roma-Frauen schildern ihre Situation: "Wir können die Siedlung alleine nicht verlassen, um ein Restaurant oder eine Disco zu besuchen. Auch aus den Geschäften werden wir gejagt. Auf der Straße werden wir beschimpft und von Skinhaeds verprügelt."

Im ersten Stock eines Wohnblocks wohnt die 35jährige Natasa Lakatosova. Sie ist arbeitslos und Mutter von vier Kindern. Ihr Mann hat auch keine Beschäftigung. Die Wohnung ist feucht, und es gibt kein Warmwasser. Die Kinder sind ständig krank. Wie alle anderen Roma würden sie gerne die Siedlung in Chanov verlassen, aber hier haben sie eine Adresse, so können sie auch mit der Unterstützung vom Sozialamt rechnen.

Eine Hoffnung für Roma in Most ist die sogenannte Emmaus-Gemeinschaft, die ein Haus für Arbeitslose und Obdachlose unterhält. "Wenn sie nicht gewalttätig sind, nicht trinken, nicht stehlen, können sie bei uns bleiben, solange sie keine andere Wohnmöglichkeit haben", erklärt Heimleiter Tomas Striz die Aufnahmebedingungen. Nur wenige schaffen es, sich zu integrieren. Eine von ihnen ist Leona Popik. Sie ist Köchin und eine der wenigen Roma, die Arbeit haben und in der Gesellschaft voll integriert sind. Popik hat einen tschechischen Mann. Dieser ist stolz auf seine Roma-Frau. "Ich habe deswegen keine Probleme weder mit meinen Eltern noch mit den Bekannten", sagt er.

Das Emmaus-Haus ist das seltene Beispiel für einen Ort, wo Roma und Tschechen gemeinsam leben und arbeiten. Doch an einer solchen Lösung der Probleme von 300.000 Roma in Tschechien scheint kaum Interesse zu sein. "Auch hinter der Tätigkeit der Emmaus-Gemeinschaft steht ein Fragezeichen. Die Gemeinde Most hat angekündigt, daß uns das Haus ab 2002 nicht mehr zur Verfügung steht. In der Gegend entstehen Wohnungen für reiche Tschechen. Ein Haus mit Obdachlosen und Roma würde hier nicht mehr herpassen", stellt Tomas Striz resignierend fest.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung